Früh schon prangerte er öffentlich den „Irrweg“ der Kanzlerin bei der Euro-Rettung an. „Die Bundesrepublik wird erpressbar“, warnte er bereits im April 2011, als es „nur“ um den Rettungsschirm für das vor der Pleite stehende Griechenland ging. Damals war Bernd Lucke, seit 1998 Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg, noch CDU-Mitglied. Das Hilfspaket habe zwangsläufig eine „schleichende Vergemeinschaftung der Schulden“ zur Folge, kritisierte er. Und zwei Monate später, im Juni 2011, legte er nach. „Euro-Retter auf der falschen Spur“, lautete der Titel eines fast ganzseitigen Aufsatzes in der „FAZ“. „Je mehr Kredite die Geberländer im künftigen europäischen Stabilitätsmechanismus verbürgen, desto erpressbarer sind sie. Mit jedem Kredit werden die soliden Staaten abhängiger von ihren überschuldeten Partnern.“
Für sich selbst zog der 50-jährige Bernd Lucke, der in Bonn und Berkeley studiert, in Vancouver und Berlin gearbeitet und für die Weltbank und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Studien verfasst hatte, die Konsequenzen: Aus Protest gegen die aus seiner Sicht verfehlte Rettungspolitik der Kanzlerin trat der Vater von fünf Kindern nach 33-jähriger Mitgliedschaft aus der CDU aus und rief das „Plenum der Ökonomen“ ins Leben, das sich gegen den dauerhaften Rettungsschirm ESM aussprach. Und er gehörte zu Jahresbeginn zusammen mit zahlreichen Wirtschaftsprofessoren und mehreren Vertretern des konservativen Flügels der CDU zu den Mitbegründern der „Alternative für Deutschland“ (AfD), die sich auf einem Parteitag am Sonntag offiziell als Partei gründen will, um noch an der Bundestagswahl im September teilnehmen zu können.
Slogan: Schluss mit diesem Euro!
Mit ihrem Slogan „Schluss mit diesem Euro!“ und der Forderung, jedem Staat ein Ausscheiden aus dem Euro zu ermöglichen und notfalls zur D-Mark zurückzukehren, sind Lucke und seine Mitstreiter wie der frühere hessische CDU-Staatssekretär Alexander Gauland oder Ex-BDI-Chef Hans Olaf Henkel auf beachtliche Resonanz gestoßen. Innerhalb weniger Wochen gewann die AfD rund 7500 Mitglieder, zahlreiche Freie Wähler wechselten die Seite, bei einer Umfrage sagten kürzlich 24 Prozent der Befragten, sie könnten sich vorstellen, einer Anti-Euro-Partei ihre Stimme zu geben.
„Der Zustrom ist gewaltig“, sagt Lucke, der am Sonntag zum Parteichef gewählt werden soll, „unsere Mitglieder sind überwiegend akademisch geprägt, stehen in der Mitte des Lebens oder darüber und sind überwiegend männlich.“ Nach internen Berechnungen waren 600 Neumitglieder früher in der CDU, 130 in der CSU und 372 in der FDP sowie 346 in der SPD, 91 bei den Piraten und 67 bei den Grünen.
Kein Wunder, dass Union und FDP die Parteineugründung mit einer Mischung aus Sorge, Skepsis und Ablehnung beobachten. „Ich nehme jede Konkurrenz ernst“, sagt CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder, „wir unterschätzen die neue Bewegung nicht“, sagt FDP-Generalsekretär Patrick Döring.
Beiden ist die Landtagswahl in Niedersachsen Mahnung und Warnung. Im Januar waren Freie Wähler und Wahlalternative ein Bündnis eingegangen, das zwar nur auf 1,1 Prozent kam, doch das waren genau jene Stimmen, die der schwarz-gelben Koalition am Ende fehlten. Rot-Grün gewann die Wahl.
Führende Christ- wie Freidemokraten kritisieren daher das Programm der „Alternativen“ und werfen ihnen Populismus vor. Eine Rückkehr zur D-Mark „schadet vor allem Deutschland“, sagt Kauder. Wegen der sofort stattfindenden Aufwertung wären die deutschen Exporte gefährdet – „und damit Tausende von Arbeitsplätzen“. Zudem habe die Partei programmatisch außer dem Nein zum Euro wenig zu bieten. Reine Protestparteien, die sich auf nur ein Thema konzentrieren, hätten „auf Dauer keinen Bestand“, urteilt FDP-Generalsekretär Döring.
Abgrenzung zu rechtsextremen Parteien
Den immer wieder erhobenen Vorwurf, die neue Partei sei rückwärtsgewandt und argumentiere rechtspopulistisch, weist Parteigründer Bernd Lucke entschieden zurück. „Mit populistischen Parteien in anderen Ländern haben wir nichts zu tun“, zudem lehne die Partei jede Art von Ausländerfeindlichkeit ab, es gebe klare Abgrenzungsbeschlüsse zu rechtsextremen Parteien. Die AfD, so Lucke, bekenne sich zu Europa und strebe eine politische Union an, auch mit Blick auf eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.
Gescheitert sei dagegen die Konstruktion des Euro-Währungsgebietes. „Was wir nicht akzeptieren, ist die Haltung der Bundesregierung, zum Euro gebe es keine Alternative. Das ist falsch, denn es gibt jede Menge Alternativen und in einer demokratischen Gesellschaft sollte man darüber sprechen können.“
Alternative für Deutschland
Der erste Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) findet am Sonntag, 14. April, in Berlin statt. Der Partei haben sich im Zuge der Finanzkrise vor allem Euroskeptiker angeschlossen. Die AfD will im Herbst zur Bundestagswahl antreten. Drei Sprecher und drei stellvertretende Sprecher repräsentierten bisher die „Alternative für Deutschland“. An der Spitze standen der 50-jährige Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, der frühere FAZ-Kulturjournalist und „Welt“-Chefkorrespondent Konrad Adam (71) und die 50-jährige Münchner PR-Journalistin Dagmar Metzger. Als stellvertretende Sprecher fungierten der frühere hessische Staatssekretär und Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen“, Alexander Gauland (72), die 37-jährige Chemikerin und Unternehmerin Frauke Petry aus Leipzig und der 49-jährige Wolf-Joachim Schünemann, geschäftsführender Gesellschafter eines Nürnberger Finanzdienstleisters. Text: fer/dpa