Ökologie und soziale Fragen gehören zusammen, erklärt der Vorsitzende des Bundes Naturschutz in Bayern, Hubert Weiger, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst epd. Um die Energiewende zu schaffen, müsse sich die gesamte Gesellschaft verändern, erklärte Weiger, der auch Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist.
Hubert Weiger: Die Bezeichnung „mächtigster Lobbyist Bayerns“ trifft mit Sicherheit nicht zu. Der Bund Naturschutz mit fast 200 000 Mitgliedern ist zwar ein wichtiger Verband und damit auch der Vorsitzende eine nicht unwichtige Person in der bayerischen Gesamtpolitik. Aber es gibt mächtigere Interessensgruppen, etwa in der Bau-, Energie- oder Autoindustrie. Bayerische Politik richtet sich leider nicht nach dem, was der Bund Naturschutz will. Vieles, was wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten durchgesetzt haben, ist im Konflikt mit der bayerischen Staatsregierung entstanden.
Weiger: Eine überdurchschnittlich für Fragen des Umweltschutzes aufgeschlossene Bevölkerung. Und die Möglichkeit zu Volksbegehren, die selbst dann, wenn wir sie verloren haben, in der Sache viel bewirkt haben.
Weiger: Zum Beispiel das Volksbegehren „Das bessere Müllkonzept“: Das ist zwar am Ende knapp verloren gegangen, aber wir haben uns inhaltlich trotzdem durchgesetzt, weil die Staatsregierung viele Elemente unseres Vorschlags aufgegriffen hat: Abfallvorsortierung in Haushalt und Gewerbe, flächendeckende Einführung der Papier- und Biotonne, Verdichtung des Containersystems für getrennte Wertstoffsammlung. Durch diese Maßnahmen wurde eine Recyclingquote von 80 Prozent erreicht – davor waren 30 Prozent das Maximum.
Weiger: Ich bin in einem Forsthaus aufgewachsen. Damit war für mich der Wald etwas Selbstverständliches, Natur und Naturschutz auch. Ich wollte in die Fußstapfen meines Vaters treten. In Frankreich habe ich die Kriegsgräber des Ersten Weltkrieges gesehen – das hat mich bestärkt, den Wehrdienst zu verweigern. In der Zeitung habe ich 1971 die Notiz gelesen: „Bund Naturschutz stellt Zivildienstleistende ein.“ Das war ideal für mich. Mit zwei Kollegen habe ich bald im Rahmen der Aktion „Saubere Landschaft“ illegale Deponien in Bayern kartiert. Damals brannte ja hinter jedem Dorf der Müll. Nach einem halben Jahr wurde ich – als Zivildienstleistender – zum Beauftragten von Nordbayern.
Weiger: Ich habe schnell gemerkt, dass die Politik im Regelfall nicht die Vorhut von gesellschaftlichen Veränderungen darstellt, sondern eher deren Nachhut. Wenn es uns gelingt, gesellschaftliches Bewusstsein zu verändern, handelt die Politik auch entsprechend. Die Veränderung gesellschaftlichen Bewusstseins ist mir wichtiger als die Tätigkeit in der Politik.
Weiger: Wir schauen, wo es einen Konsens gibt. Wenn jemand generell die Windenergie ablehnt, gibt es keinen Konsens. Aber wenn Windkraft eine Option ist, dann stellt sich die Frage des Standorts, und darüber kann man sprechen. Wenn allerdings die Landkreise keine Regionalplanung machen, dann übernehmen das die Investoren, und die arbeiten ohne Rücksicht auf die Umgebung. Ein Beispiel: Der Regierungsbezirk Oberfranken hat in einem langen Prozess beschlossen, das Fichtelgebirge als Windkraftstandort auszunehmen. Im Regierungsbezirk Oberpfalz gibt es eine solche Regionalplanung nicht – dort hat jetzt die Gemeinde Kemnath unmittelbar an der Grenze zu Oberfranken einen Bereich für Windkraft ausgewiesen, der exakt in der Region liegt, die die Oberfranken schützen wollten. Da fehlt ein gesamtpolitisches Konzept.
Weiger: Der für die Energiefragen zuständige bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) ist der Ansicht, in der Energiewende soll nichts überhastet werden und war, wie die FDP vor Fukushima, strikt gegen den Ausstieg aus der Atomenergie. Und auch Ministerpräsident Horst Seehofer tut alles, um weiteren Konflikten aus dem Weg zu gehen und die wirtschaftlichen Interessen von Konzernen wie RWE, E.on, Siemens oder BMW nicht zu gefährden. Die bayerische Staatsregierung ist gefordert zu sagen, ob sie wirklich hinter der Energiewende steht. Wir befürchten, dass die Versprechen nicht gehalten werden.
Weiger: Politische Lobbyarbeit heißt für uns, mit neuen Bündnispartnern zu arbeiten. Dazu gehört die Gewerkschaft IG Metall. Wir setzen uns beide ein für die Energiewende: für Verringerung der Energieverbräuche, für mehr Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien. Unsere Arbeit ist verbunden mit einer neuen gesellschaftlichen Dimension. Zentral dafür ist die Verknüpfung der sozialen Frage mit der ökologischen Entwicklung: Umweltschutz macht nicht arbeitslos, sondern schafft Arbeitsplätze.
Weiger: Für uns als Bund Naturschutz waren Pfarrer und engagierte Christen in der evangelischen Kirche immer wichtige Partner. In der Evangelischen Akademie Tutzing haben wir eine hervorragende Plattform bekommen für ökologische Diskussionen. Auch die Papiere der Landessynode zu Umweltthemen nehmen wir auf und verbreiten sie über unsere Kanäle. Denn es ist ermutigend, wenn die Basis sieht, dass auch andere über die diese Themen diskutieren.
Hubert Weiger
Der studierte Förster ist seit 2002 Vorsitzender des Bundes Naturschutz Bayern und seit 2007 Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Weiger ist Mitglied in zahlreichen Ausschüssen und Beiräten, darunter im Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung, in der Stiftung Ökologie und Landbau oder in der Bayerischen Akademie „Ländlicher Raum“. Bei der Stiftung EuroNatur ist er Mitglied des Präsidiums. Weiger wurde mit dem Paulaner Forschungspreis, der Bayerischen Staatsmedaille für Verdienste um Umwelt und Gesundheit und dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Neben seiner Verbandstätigkeit ist er auch als Hochschullehrer in Kassel und München tätig. FOTO: dpA