Wer nicht arbeitet, soll nicht essen, sagt der Apostel Paulus. Wer Sozialleistungen bezieht, soll dafür etwas tun, findet Michael Müller. Arbeit, die nicht erledigt wird, gebe es ja schließlich genug. Ausgerechnet der Regierende Bürgermeister der für Behörden-Chaos und massive soziale Probleme bekannten Bundeshauptstadt Berlin lässt mit einem Vorschlag aufhorchen, der das Grundmuster des deutschen Sozialsystems in Frage stellt.
Seit Beginn des Monats ist der SPD-Politiker der Präsident des Bundesrats. In seiner Antrittsrede und zuvor in einem Gastbeitrag im „Tagesspiegel“ hat der ob seiner vermeintlichen Farblosigkeit als „wandelnde Büroklammer“ verspottete Müller sein Konzept des „solidarischen Grundeinkommens“ vorgestellt.
Die Idee des Grundeinkommens ist nicht neu, diskutiert wird bislang aber meist ein „bedingungsloses Grundeinkommen“. 1000 Euro im Monat für alle Bürger, ohne Gegenleistung, das propagiert etwa Drogeriekönig Götz Werner. Müller dagegen sagt, angesichts von „Diskussionen um soziale Hängematten, Hartz-IV-Adel und die Vorstellung, dass sich Arbeiten nicht lohnt, wenn man es doch gut mit Stütze aushalten könne“, lehne er dies entschieden ab.
Seine feste sozialdemokratische Überzeugung sei, „dass Arbeit der Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe ist“.
Aus Arbeitsagenturen würden „Arbeit-für-alle-Agenturen“
Es gebe auch genügend mögliche Aufgaben: Sperrmüllbeseitigung etwa, das Säubern von Parks oder Bepflanzen von Grünstreifen, Begleit- und Einkaufsdienste für Menschen mit Behinderung, Tätigkeiten als Babysitter, in der Flüchtlingshilfe oder als Trainer in Sportvereinen. Manche seiner Beispiele mögen vor allem die Perspektive der Pleite-Stadt Berlin widerspiegeln. Dennoch zielt der SPD-Mann in eine interessante Richtung. Trotz Wirtschaftsbooms gibt es in der Bundesrepublik 4,3 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter, die Hartz-IV-Leistungen beziehen. Darunter viele Langzeitarbeitslose. In nicht wenigen Familien vererbt sich Arbeitslosigkeit über Generationen. Der digitale Wandel, der längst begonnen hat, verschärft die Situation immer weiter.
Wenn Autos, Busse und Lastwagen bald selbst fahren, wenn Roboter, Rechner und Drohnen immer mehr Arbeiten übernehmen – was passiert dann mit den Menschen, die dadurch ihre Jobs verlieren? Die Digitalisierung wird zwar auch neue Arbeitsplätze schaffen. Doch werden sie ausreichen? Kann etwa aus jedem arbeitslosen Fahrer ein Programmierer werden? All das ist völlig unklar. Müller will deshalb aus den Arbeitsagenturen „Arbeit-für-alle-Agenturen“ machen.
Fördern und Fordern sollen Hand in Hand gehen
Nach dem Konzept des Berliners könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen dagegen falsche Signale gerade an Langzeitarbeitslose senden: Die Gesellschaft hat Dich aufgegeben, erwartet nichts mehr von Dir. Und: Du hast von der Gesellschaft nichts mehr zu erwarten. Im Unterschied dazu entspricht Müllers Idee der alten Weisheit, dass Fördern mit Fordern Hand in Hand gehen muss. Auch Migranten, denen noch Deutschkenntnisse und Qualifikationen fehlen, könnten so an die Arbeitswelt herangeführt werden.
Müllers Vorstoß dürfte kein Alleingang sein. Das solidarische Grundeinkommen könnte den Versuch der nach ihrem schlechtesten Bundestagswahlergebnis aller Zeiten waidwunden SPD darstellen, die soziale Frage neu zu formulieren. Dafür spräche die Forderung von Müllers Genossen und Bürgermeisterkollegen Olaf Scholz aus Hamburg, den Mindestlohn von 8,84 Euro auf zwölf Euro anzuheben. Denn eines ist klar: Wer sich in den schlecht bezahlten Bereichen der freien Wirtschaft abmüht, als Friseurin oder Paketfahrer etwa, müsste deutlich mehr verdienen als der Bezieher eines solidarischen Grundeinkommens. Sonst würde das Müller-Konzept niemals akzeptiert werden.
Da hat die Büroklammer sich offenbar bei der AfD bedient. Die anderen als Ausgeburt der Hölle darstellen und dann ihr Programm klauen - ein offenbar beliebtes Verfahren. Abgesehen davon
- entspricht der Vorschlag rechtlich eigentlich fast genau der augenblicklichen Situation (1€-Jobs)
- ist das "bedingungslose Grundeinkommen" ja gerade gedacht, damit sich Arbeit auch für einen geringen Lohn lohnt und damit genau das Gegenteil von dem was Müller von sich gibt.
Aber der Ausdruck "Hartz IV-Adel" ist echt klasse. Soll wohl auf die "Erblichkeit" des H4-Bezugs anspielen, klingt aber wie "das faule Pack spielt auf unsere Kosten den König". Ein Fall für die heute-Show!
in Ihrem Leitartikel vom 6.10. finde ich folgende Aussage:
der nach ihrem schlechtesten Bundestagswahlergebnis aller Zeiten waidwunden SPD darstellen, die soziale Frage neu zu formulieren. -
Meine Fragen: löst sich dieSPD zum Jahresende auf? Woher haben Sie die Information?
Ihre Aussage: sclechtestes Ergebnis aller Zeiten lässt daraus schließen.
Oder sind Sie Hellseher oder benützen Sie,wie viele Ihrer Kollegen(auch Funk und Fernsehen) den Ausdruck -aller Zeiten- aus purer Gedankenlosigkeit?
W.Kölbl
Quelle: http://www.mainpost.de/ueberregional/meinung/leitartikel/Muellers-Plan-Wer-Sozialleistungen-bezieht-soll-dafuer-arbeiten;art9517,9788432
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