Der Sicherheits- und Militärexperte Christian Mölling schildert, wie die deutschen Streitkräfte in die Krise geschlittert sind und was dagegen getan werden muss. Er erklärt auch, warum er der Wehrpflicht nicht nachtrauert. Mölling ist seit Februar 2017 Stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der DGAP. Davor arbeitete er beim German Marshall Fund of the United States, in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), am Center for Security Studies der ETH Zürich sowie am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg.
Christian Mölling: Also Alarmismus ist das sicher nicht. Denn die Mängel sind ja schließlich längst chronisch. Vor 20 Jahren wurde Jahr für Jahr weniger Geld für die Bundeswehr ausgegeben. Das immerhin hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verändert. Seit einigen Jahren steigen die Ausgaben für die Verteidigung wieder, und zwar prozentual in einem steigenden Umfang. Das ist ein Anfang.
Mölling: Es gibt zwar erste Erfolge bei der Ausstattung, aber die Streitkräfte sind strukturell marode. Das ist nur langfristig lösbar. Das Problem ist, dass das Beschaffungssystem nicht gut funktioniert. Immer wieder reichen Rüstungsunternehmen, die leer ausgehen, Klagen ein. Das führt nicht selten dazu, dass im Haushalt vorhandenes Geld nicht fließt. Im Bundestag soll es jetzt einen Anlauf geben, die Beschaffung in Zukunft effizienter zu machen.
Mölling: Für die Einsätze im Ausland reicht es noch. Allerdings gibt es einen verhängnisvollen Kannibalisierungseffekt. Ein Beispiel: Wenn im Ausland dringend fünf funktionsfähige Hubschrauber benötigt werden, werden 20 weitere in der Heimat als Ersatzteillager ausgeschlachtet.
Mölling: Dieses Ziel ist derzeit politisch in Deutschland nicht durchsetzbar, deswegen bringt es nichts, sich ständig darüber zu streiten. Fünf Milliarden Euro mehr pro Jahr halte ich derzeit aber für durchaus machbar.
Mölling: Natürlich nicht, es kann ja auch in die falschen Projekte investiert werden. Aber wenn man in ein neues Schiff Geld steckt, das nicht optimal für die Belange der Bundeswehr ausgerüstet ist, kann man es umrüsten. Das ist besser, als wenn man ganz ohne Schiff dasteht.
Mölling: In der Theorie hört sich das gut an. Doch ich befürchte, dass eine effektive Zusammenarbeit in der Praxis erst dann ernsthaft angegangen wird, wenn bei den Streitkräften der europäischen Staaten gar nichts mehr geht.
Mölling: Putin dürfte jedenfalls keine Angst vor uns haben, und die USA verlieren den Glauben an uns. Europa ist längst Trittbrettfahrer, wenn es um die eigene Sicherheit geht. Das werden die USA auf Dauer nicht mehr akzeptieren.
Mölling: Klar ist, dass es mit der Bundeswehr so nicht mehr lange weitergehen kann. Deutschland gilt als ein militärisch zunehmend unzuverlässiger Partner. Das wird insbesondere in Polen und im Baltikum so empfunden. Dort sieht man sich – wie zuletzt auch in Finnland, Schweden und Norwegen – durch die Militärmacht Russlands bedroht. Die Bundesregierung muss ihrer historischen Verantwortung gegenüber Europa und den USA stärker gerecht werden.
Mölling: Wenn jemand, der bei der Bundeswehr angestellt ist, ständig liest, was dort alles nicht funktioniert, trägt das natürlich nicht zur Identifikation mit dem Arbeitgeber bei. Das geringe Ansehen in der Öffentlichkeit ist fatal.
Mölling: Nein. Eine Wehrpflicht funktioniert höchstens, wenn man eine Massenarmee haben will. Die Bundeswehr aber benötigt einfach viele clevere Köpfe, die dann auch angemessen bezahlt werden müssen. Dafür muss mehr Geld ausgegeben werden. Mit einem Zwangsdienst gewinnt man keine motivierten Mitarbeiter.
Mölling: Wichtig ist, dass sie Kurs hält, um die Bundeswehr kontinuierlich schlagkräftiger zu machen. Es muss klar sein, welche neuen Waffensysteme in Zukunft benötigt werden und wie die Instandhaltung besser funktioniert. Das wären erste Schritte für eine Trendwende. Dafür müssen die Verteidigungsausgaben weiter steigen.
Christian Mölling, Jahrgang 1973, ist Politikwissenschaftler und Militärexperte. Seit Februar 2017 ist er Stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP).
Wir leben in einer Welt ohne Frieden und tagtäglich müssen wir den Frieden im Inneren bewahren. Im Dualismus "Krieg und Frieden" wird das Kämpferische überbetont, denn wir müssen immer wieder aufs Neue um Frieden ringen. Finstere
Mächte setzen heute keine Hubschrauber mehr ein, sondern tragen sich mit den Gedanken, Raketen auf wehrlose Zivilisten abzufeuern. Wir müssen heute keine Wälder mehr entlauben, um die Welt ins Aus zu schießen. Moderne Kriegsführung setzt auf den Cyber-Angriff, um ganze Städte und Versorgungseinrichtungen lahm zu legen. Von daher wäre eine Wehrpflicht nicht mehr zeitgemäß, weil es IT-Spezialisten und technisches Fachpersonal an den einzelnen Waffensystemen bedarf. Die Privatisierung des Beschaffungsamtes war ein Fehler. Eine moderne Armee bedarf einer technischen Ausrüstung, die auch funktioniert. Die von Putin gesteuerten Linken sehen in der Rüstung eine Kriegsgefahr. Wir aber müssen den Frieden aufrechterhalten. Daher rüsten!