Angela Merkel steht da, wo in zwei Wochen Otto Waalkes blödeln wird. Kotzende Elefanten und so. In der „Halle 39“ im Hildesheimer Industriegebiet kündigen Plakate die Show des ostfriesischen Komik-Fossils an. Die Presse nennt sein aktuelles Programm „saukomisch“. Die Kanzlerin aber hat gerade wenig zu lachen. Die bittere Wahlschlappe ihrer Union aus CDU und CSU am vergangenen Sonntag ist noch frisch. Angegriffen und unkonzentriert wirkt sie am Rednerpult.
Natürlich muss sie etwas sagen zum desaströsen Ergebnis, mit 33 Prozent das zweitschlechteste der Geschichte. Es sei „klar, dass wir eine ganze Reihe von Hausaufgaben haben“, beginnt sie. Und zwar „Hausaufgaben, die Menschen uns aufgegeben haben, die diesmal nicht die CDU gewählt haben“. Welche Hausaufgaben sie meint, wie sie diese abarbeiten will – das lässt Merkel offen. Auf die Flüchtlingskrise etwa geht sie in ihrer Rede nur ganz am Rande ein.
Jedem der CDU-Anhänger in der Halle ist klar: Die Aufarbeitung der Schlappe bei der Bundestagswahl ist verschoben. Zumindest bis nach dem 15. Oktober. Denn dann wählt Niedersachsen einen neuen Landtag und möglicherweise einen neuen Ministerpräsidenten. Für Selbstkritik war im Wahlkampf noch niemals Platz. Merkel ist hier, um den Parteifreund Bernd Althusmann zu unterstützen, der die amtierende rot-grüne Regierung um Ministerpräsident Stefan Weil (SPD) stürzen will. Auch für die Kanzlerin steht viel auf dem Spiel. Ein weiteres schlechtes Abschneiden würde die CDU noch tiefer in die Krise stürzen. Und Merkel weiter beschädigen.
Eigentlich müsste sie also mit Zähnen und Klauen für Althusmann kämpfen. Doch das kann sie nur mit stark angezogener Handbremse. Weil sie ja gleichzeitig an die Regierungsbildung denken muss. Nach der schnellen Absage der SPD an eine weitere Große Koalition lässt das Wahlergebnis nur ein „Jamaika-Bündnis“ der Union mit FDP und Grünen zu. Doch mit Blick auf Niedersachsen dürfen die Jamaika-Verhandlungen erst nach der Landtagswahl beginnen. Das wollen alle Beteiligten so, Landes- und Bundespolitik sollen sich nicht ins Gehege kommen. Die CDU fürchtet, dass das Gerede über die bei vielen Konservativen ungeliebte Jamaika-Koalition die Niedersachsen-Wahl versaut.
Fast noch mehr aber muss Merkel Angst haben, dass ihr ein harter Niedersachsen-Wahlkampf den Weg nach Jamaika verbaut. Genau das aber droht im Flächenstaat an der Nordsee, wo ein polternder Althusmann sich besonders auf die Grünen eingeschossen hat. Die wiederum der CDU grollen, laut „Foul“ riefen, weil der überraschende Wechsel einer Grünen-Landtagsabgeordneten ins christdemokratische Lager ja erst zu den vorgezogenen Neuwahlen geführt hat.
Grüße nach Jamaika
Althusmann schloss zunächst jede Kooperation mit den Grünen aus. Kürzlich machte er einen Rückzieher – nicht wenige vermuten, dies könnte auf Druck aus Berlin geschehen sein. Denn Merkel ist ja voll auf die Grünen angewiesen, um eine Jamaika-Koalition zu schmieden. Genau wie auf die FDP und die streitlustige Schwesterpartei CSU. So schickt die Kanzlerin aus Hildesheim ganz unverhohlen Grüße nach Jamaika. Als es etwa um die Landwirtschaft geht, relativiert sie gar ihren Vorredner Althusmann. Der hatte das grün geführte Landwirtschaftsministerium massiv kritisiert. Durch überzogene Umweltauflagen sei es mitverantwortlich dafür, dass zahlreiche bäuerliche Betriebe im Land aufgegeben hätten.
Natürlich sei auch sie „gegen eine permanente Gängelung der Landwirtschaft“, sagt Merkel. Doch es gebe durchaus auch „das eine oder andere zu verbessern“, bremst sie Althusmann ein. Ein Wink mit dem Zaunpfahl an die Grünen.
Als sie schnelle Internetverbindungen überall im Land fordert – da hätte sie auch gleich sagen können: Schönen Gruß an Christian Lindner und seine FDP. Digitalisierung gehörte im Wahlkampf der Liberalen zu den Kernthemen.
Und wenn Merkel über die innere Sicherheit spricht, wenn sie ankündigt, der Bund werde ein Musterpolizeigesetz vorlegen, das sich am Standard in den besten Ländern orientiert – dann nennt sie als Vorbild: Bayern. Liebesgrüße nach München – an Horst Seehofer und die CSU. Vor den eigentlichen Jamaika-Verhandlungen muss die CDU-Chefin erst einmal das angeknackste Verhältnis zur bayerischen Schwester kitten. Der Kanzlerin stehen zwei ernste Wochen bevor. In denen sie weder wirklich wahlkämpfen noch an einer Regierung bauen kann. Ob es am Abend des 15. Oktober, drei Tage nach dem geplanten Otto-Auftritt in Hildesheim, auch bei der CDU-Wahlparty in Hannover etwas zu lachen gibt, wird sich zeigen.