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Merkel und die Zukunft der Partei
dpa
 |  aktualisiert: 21.09.2014 18:27 Uhr

Zuletzt war wenig von der Jungen Union zu hören, die mit 117 000 Mitgliedern größer als Grüne und Linke zusammen ist. CDU-Chefin Merkel hält die Parteijugend gerne auf Distanz. Die Erwartungen an den neuen Vorsitzenden Ziemiak sind nun hoch.

Angela Merkel hat ihn nicht selbst angerufen. Den Glückwunsch an Paul Ziemiak nach seiner Wahl an die Spitze der Jungen Union (JU) überbrachte CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Der Chefin ist die große Nachwuchsorganisation der Union, die viele Mitglieder als Karriereschmiede nutzen, auch nach 14 Jahren CDU-Vorsitz fremd. Die ostdeutsche Pfarrerstochter Merkel war 35 Jahre alt, als die Mauer fiel. Zu alt, um noch in die JU einzutreten, denn das ist die Altersgrenze.

Die Kanzlerin ist politisch anders groß geworden. Und Merkel gilt nicht als Parteivorsitzende, die Nachwuchs gezielt fördert. Er muss sich bewähren. Philipp Mißfelder, der die JU zwölf Jahre und damit so lange wie keiner vor ihm führte, hat das nicht nach Merkels Geschmack getan. Mißfelder ist auch heute noch ein glühender Verehrer von Helmut Kohl und pflegt ein Netzwerk, zu dem auch Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) und – über dessen Kontakte – sogar Kreml-Chef Wladimir Putin gehören. All das ist Merkel zutiefst suspekt.

Mißfelders Verdienste um die Junge Union, die er finanziell und organisatorisch bestens aufgestellt übergibt, streift sie bei seiner Verabschiedung auf dem JU-Deutschlandtag im bayerischen Inzell am Wochenende nur. Dafür erinnert sie gleich an seinen Ausrutscher vor elf Jahren, als er Senioren mit 85 Jahren keine Hüftgelenke auf Kosten der Allgemeinheit mehr zubilligen wollte: „Du hast nach anfänglichem unglücklichen Start verstanden, dass die Generationen zusammenhalten müssen.“ Merkelianer sagen, dass jemand wie Mißfelder so lange Chef war, sei ein Armutszeugnis für die Parteijugend. Lob bekam der 35-Jährige dagegen von den CSU-Größen Edmund Stoiber und Markus Söder.

Nun also Paul Ziemiak. Er ist 29 Jahre alt. In Polen geboren, im Sauerland so sehr sozialisiert, dass er das R rollen kann wie der frühere SPD-Chef Franz Müntefering. Er ist kein Revoluzzer, das ist in der JU ohnehin kaum einer. Ziemiaks Devise: nicht dauernd meckern, um dann ernster genommen zu werden, wenn er die Unionsspitze kritisiert. Ziemiak ist konservativer als Merkel – wie die große Mehrheit der JU. Aber damit ist er noch kein Konservativer. Er ist wie Merkel gegen Sterbehilfe, agitiert schärfer als sie gegen Islamisten in Deutschland, hat aber Skrupel, Homosexuellen das volle Adoptionsrecht zu verwehren. Alle Gastredner von Merkel bis CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ermahnten die JU geradezu, laut und kritisch zu sein und sich einzumischen. Ja, ja – aber wenn man es dann mache, sei das Geschrei groß, heißt es im neuen JU-Führungszirkel.

Ohnehin prägt auch noch ein anderes Thema die Tagung von Inzell. Der Umgang mit der AfD. Die Kanzlerin hatte erstmals die AfD direkt angegriffen. Ihre Werte hätten mit denen der CDU nichts gemeinsam. Auch die CSU schließt eine Koalition mit der Alternative für Deutschland weiterhin aus – Parteichef Horst Seehofer hat die Tür jetzt aber einen Spaltbreit aufgestoßen. „In der AfD gibt es gut ausgebildete und kluge Leute. Aber solange die Partei es nicht schafft, sich von den rechtsradikalen Elementen zu trennen, kommt für mich eine Koalition nicht infrage“, sagte der bayerische Ministerpräsident der „Welt am Sonntag“.

Er sei überzeugt, dass die eurokritische AfD auf absehbare Zeit auch bei Wahlen in Bayern ein Wettbewerber sein werde. Im Gegensatz zu einigen CDU-Politikern ist Seehofer nicht überzeugt, dass die neue Rechtspartei genauso in der Bedeutungslosigkeit versinken wird wie die Piraten.

Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber warnte die Unionsparteien davor, die Gefahr für CDU und CSU zu unterschätzen. „Ich war von Anfang an der Meinung, dass man die Funktionäre dieser AfD inhaltlich stellen muss – das kannst du nicht durch Negieren“, sagte der frühere bayerische Ministerpräsident am Samstag auf dem Deutschlandtag der Jungen Union. „Ich glaube, man muss sich mit diesen Leuten auseinandersetzen, ihnen klarmachen, dass ihre Schwarz-Weiß-Parolen in der Realität keinen Bestand haben.“

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer lästerte bei der JU-Veranstaltung, AfD sei die Abkürzung für „Abstieg für Deutschland“. Die Partei um den Volkswirtschaftsprofessor Bernd Lucke wolle die Bevölkerung „vergackeiern“. Die AfD sei offenbar „ein Sammelsurium von abgehalfterten, furchtbaren Dazwischenquatschern und Quertreibern“.

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Emnid im Auftrag von „Bild am Sonntag“ erreicht die AfD nach ihren Wahlerfolgen in Brandenburg und Thüringen bundesweit den höchsten Stand seit der Gründung der Partei im vergangenen Jahr. Acht Prozent der Befragten gaben demnach an, sie würden die AfD wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre.

 
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