Es ist dieser Tage das alles beherrschende politische Thema: die Flüchtlingspolitik. Seit gut einer Woche fliegen im Asylstreit zwischen CDU und CSU die Fetzen. Am Montag schien die Lage so ernst, dass sogar ein Ende der Großen Koalition drohte. Zu der gehört bekanntermaßen auch die SPD; die Partei wäre also von einem Scheitern der CDU-CSU-Fraktionsgemeinschaft direkt betroffen gewesen. Doch die Sozialdemokraten stellten sich lange tot, blieben in der Diskussion unsichtbar. So unsichtbar, dass man meinen konnte, die SPD spielt in dieser Bundesregierung gar keine Rolle mehr. Weder machtpolitisch, noch inhaltlich. Es stellt sich die Frage, wo die alte streitlustige Sozialdemokratie geblieben ist.
Parteichefin Andrea Nahles betonte zwar am Montag, zu einem Zeitpunkt, an dem die Koalition schon Geschichte hätte sein können, dass die SPD einem Kompromiss zwischen CDU und CSU nicht automatisch zustimmen werde. Was die SPD aber sonst unternahm brachte Thorsten Schäfer-Gümbel auf den Punkt – wenn auch ungewollt. „Wir schauen ja im Moment zu, wie sich die beiden Unionsparteien wirklich zerlegen“, monierte er. Der SPD-Vize wollte so zum Ausdruck bringen, wie genervt die SPD vom Dauerzwisten zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Innenminister Horst Seehofer (CSU) ist. Was er auch sagte war aber, dass die SPD im Moment eben vor allem eines tut: zuschauen.
Die SPD setzt wahltaktisch auf die falschen Themen
Die Protagonisten in der aktuellen Diskussion über Zuwanderung und den Umgang mit Flüchtlingen an der deutschen Grenze kommen allesamt aus der Union. Die SPD interpretiert das so: „Das einzige Thema, um das es im Moment geht“, sei die bayerische Landtagswahl, analysierte Schäfer-Gümbel. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, attestierte der CSU „Angst vor der AfD“. Ob gerade CSU-Politiker im Asylstreit um die beste Lösung ringen oder nur aus Kalkül im Wahljahr Härte demonstrieren wollen, sei dahingestellt. Fakt ist, dass sie auf ein Thema setzen, bei dem nicht nur tatsächlich nachgebessert werden muss, sondern das auch die Menschen emotionalisiert wie kein zweites.
In der SPD widmet man sich derweil weiter Themen, die zwar mindestens genauso drängend sind, aber mit denen man in diesen Zeiten keine Wahl gewinnt. „Wir kümmern uns um die echten Probleme der Menschen: um bezahlbares Wohnen, Unterstützung für Familien und sichere Arbeitsplätze“, predigt die bayerische Spitzenkandidatin Natascha Kohnen immer wieder. Doch was die Asylpolitik angeht, bleibt die SPD behäbig. Medienberichten zufolge ist die Parteispitze erst am Montag zusammengekommen, um darüber zu beraten, wie man auf den Streit zwischen CDU und CSU reagiert. Reichlich spät. Die Asylpolitik und die Uneinigkeit zwischen Merkel und Seehofer darüber beherrschten schließlich schon den Bundestagswahlkampf.
An Andrea Nahles' Kurs muss sich die SPD noch gewöhnen
Auch was inhaltliche Stellungnahmen angeht, blieb die SPD zuletzt blass. Seit Montag erörtert man im Präsidium zwar einen eigenen Plan. Doch auch das könnte eine schwierige Geburt werden. Denn mit Andrea Nahles hat die SPD seit April eine Parteichefin, die für sozialdemokratische Verhältnisse für einen harten Kurs in der Flüchtlingspolitik steht. Ende Mai erklärte sie, „wir können nicht alle bei uns aufnehmen“. An solche Worte muss sich vor allem der linke Parteiflügel erst noch gewöhnen. Schon als Arbeitsministerin warnte sie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise davor, wie schwierig die Integration Zehntausender Menschen werden würde. Und sie erkannte das Spannungsfeld, in das die Arbeiterpartei SPD geraten könnte: „Es gibt nicht nur eine Million Flüchtlinge. Es gibt auch eine Million Langzeitarbeitslose, die weiterhin unsere volle Unterstützung brauchen.“ Nicht ausgeschlossen also, dass bei einer Einigung in der Union der nächste Streit in der Koalition ansteht – dann bei der SPD.
Während letztere immer noch Jamaica als Option hat (FDP und auch Grüne wanzen sich doch schon wieder ganz schön ran), fehlt der SPD jegliche vernünftige Alternative; in der Opposition würden doch die innerparteilichen Gräben erst nch mal richtig aufbrechen