Die Regierung in Peking warnt ihre Bürger wegen des dortigen exzessiven Schusswaffengebrauchs vor Reisen in die USA. Schweinefarmer in Minnesota werden die Ohren und Schwänze ihrer Ferkel nicht mehr los, die sie bislang als Delikatesse ins Reich der Mitte ausführten. Und der US-Präsident fordert seine Anhänger auf, die 1903 in Milwaukee gegründete Kultmarke Harley Davidson zu boykottieren.
Vor wenigen Monaten noch wären solche Meldungen undenkbar gewesen. Inzwischen markieren sie den eher kuriosen Auftakt eines globalen Handelskriegs, der sich rasant ausweitet. China hat das Inkrafttreten von US-Strafzöllen auf Importe im Wert von 34 Milliarden Dollar am Freitag mit Sonderabgaben im gleichen Umfang gekontert. Insgesamt belegt Washington jetzt Wareneinfuhren aus aller Welt im Umfang von 165 Milliarden Dollar mit Aufschlägen. So etwas hat es seit den 1930er Jahren nicht gegeben. Doch auch das könnten bald Peanuts sein, wenn Präsident Donald Trump wie angedroht europäische Autos sowie sämtliche Lieferungen aus China sanktioniert.
Die Zeichen stehen auf Eskalation
Nichts spricht dafür, dass der Wüterich im Weißen Haus seinen protektionistischen Amoklauf einstellt. Die Zeichen stehen auf Eskalation: Trump geht es nicht um die Sache. Er kann keine Handelsbilanzen lesen, versteht nicht, wie die Europäische Union funktioniert und hält die Welthandelsorganisation WTO für eine Quasselbude. Aber als Populist will er seine Basis bei Laune halten. Und als Narzisst muss er sein Selbstbild als größter Dealmacher aller Zeiten verteidigen.
Bislang ist das nicht so richtig gelungen. Die Zölle auf Aluminium und Stahl sollten ein Hebel sein, um die Handelspartner zu Zugeständnissen zu zwingen. Stattdessen haben China, die EU, Kanada und Mexiko mit gezielten Nadelstichen reagiert, die vor allem die Farmer in konservativen Gebieten der USA treffen. Das kann Trump nicht passen. Er braucht vor den Kongresswahlen im Herbst Erfolge, die eindrucksvoller als die Kollateralschäden erscheinen. Nach seiner Logik kann das nur bedeuten: Er wird den großen Knüppel herausholen.
Es spricht alles dafür, dass die angedrohten Autozölle kommen
Die Deutschen sollten sich daher von Nebelkerzen und Spaltungsversuchen wie der Idee einer beiderseitigen Null-Lösung für Fahrzeuge nicht täuschen lassen: Die ist mit Frankreich kaum zu machen und würde langwierige Verhandlungen in der WTO erfordern. Trump will aber kurzfristig punkten. So spricht alles dafür, dass die angedrohten Autozölle kommen – zumal der Präsident aus der eigenen Partei kaum Widerstand spürt. Die beiden Freihändler Paul Ryan und Mitch McConnell murmeln ihre Bekenntnisse leise in Hinterzimmern. Viele andere schweigen aus Angst, vom Bannstrahl des Berserkers getroffen zu werden. Optimistischer stimmt zwar, dass immer mehr US-Wirtschaftsvertreter bis hin zur angesehenen Handelskammer dem Präsidenten widersprechen. Doch dessen Ansehen bei seiner Basis schadet das bislang nicht.
Für Europa muss daher gelten: Zugeständnisse sind der falsche Weg. Sie würden nur Trumps Popularität stärken und ihn zu weiteren Grenzüberschreitungen reizen. Erforderlich ist eine geschlossene, unmissverständliche, aber kluge Gegenstrategie. Vor allem müssen Deutsche und Franzosen den Handelskrieg endlich auch als Kampf um die Deutungshoheit verstehen. Durch permanente Wiederholung halbwahrer oder falscher Behauptungen ist es Trump gelungen, die größte Wirtschaftsmacht der Welt als Opfer ausländischer Übeltäter darzustellen. Auf dem alten Kontinent fehlt eine prominente Figur, die seine aberwitzigen Phantasien genauso prompt, vernehmlich und vehement richtigstellt. Wegducken ist keine Option. Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn sich am Ende China als mutigster Verfechter des Freihandels profilieren würde.