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LEITARTIKEL
Leitartikel zu Chemnitz: Wasser auf rechtsextreme Mühlen
Chemnitz - Konzert       -  Mit ihrem Auftritt auf einer Demonstration gegen Fremdenhass in Chemnitz goss die Hip-Hop-Formation „K.I.Z.” Öl ins Feuer.
Foto: Sebastian Kahnert, dpa | Mit ihrem Auftritt auf einer Demonstration gegen Fremdenhass in Chemnitz goss die Hip-Hop-Formation „K.I.Z.” Öl ins Feuer.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:58 Uhr

Was in den vergangenen zwei Wochen in Chemnitz geschah, ist gesellschaftlich und politisch ein Trauerspiel. Erst der Tod eines 35-Jährigen, der vermutlich von zwei Asylbewerbern erstochen wurde. Dann die Protestveranstaltungen, an denen auch Rechtsextremisten beteiligt waren und während denen es zu Übergriffen auf Polizisten, Journalisten und Ausländer kam. Als wäre das nicht schlimm genug, sorgten Politik und Gegendemonstration nicht dafür, dass sich die aufgeheizten Gemüter wieder beruhigen – im Gegenteil.

  • Chronologie: Was in Chemnitz geschah - und die Folgen

Da wäre zunächst die Diskussion um den Begriff „Hetzjagd“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Regierungssprecher Steffen Seibert benutzten ihn, Medien zitierten ihn. Merkels Parteifreund, der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, widersprach: Es habe „keine Hetzjagd“ gegeben. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, erklärte, seiner Behörde lägen keine belastbaren Informationen darüber vor, dass bei den Demonstrationen in Chemnitz „Hetzjagden“ stattgefunden hätten.

Verfassungsschutzpräsident sorgt für einen politischen Skandal

Es ist unglaublich, dass es auf dieser hohen politischen Ebene und bei einem Thema, das die ganze Republik beschäftigt, zu solch unterschiedlichen Einschätzungen kommt. Noch unglaublicher ist die mögliche Erklärung: So wurde am Freitag bekannt, dass sich Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nicht über die Erkenntnisse des Seehofer unterstehenden Verfassungsschutzes und über die Ereignisse in Chemnitz beraten haben. Dass Maaßen stattdessen öffentlich nicht nur der Kanzlerin widerspricht, sondern sogar suggeriert, dass Medien bewusst Falschinformationen streuen und so den „Lügenpresse“-Krakeelern das Wort redet, ist schon ein politischer Skandal. Die Deutungshoheit darüber, was tatsächlich in Chemnitz passiert ist, haben Bundesregierung und Verfassungsschützer durch ihr unkoordiniertes Handeln längst verloren.

  • Pressespiegel: So denkt die Welt über Chemnitz

Doch nicht nur das ist Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker, der Rechtsextremen und Populisten. Auch der Gegenprotest spielte denen in die Karten, gegen die eigentlich demonstriert wurde. 65 000 wollten in Chemnitz bei einem Open-Air-Konzert unter dem Motto „Wir sind mehr“ ein Zeichen gegen Rassismus und Hass setzen. Zu was dann aber gefeiert und getanzt wurde, war so gar nicht hassfrei: „Meine Hausaufgaben mussten irgendwelche deutschen Spasten machen (...) Ich ramm die Messerklinge in die Journalistenfresse (...) Trete deiner Frau in den Bauch, fresse die Fehlgeburt“, textet die Hip-Hop-Gruppe „K.I.Z.“. Der Song „Ein Affe und ein Pferd“, aus dem die Zeilen stammen und der unter anderem in Chemnitz gespielt wurde, dreht sich weiter um Drogen, um noch mehr Gewalt und um eine Vergewaltigung der Ex-„Tagesschau“-Sprecherin Eva Herman, die inzwischen rechtspopulistische Thesen vertritt.

„Wir-sind-mehr“-Demo erwies Kampf gegen Hass einen Bärendienst

Wer sich in der Hip-Hop-Szene auskennt, erklärt solche Texte damit, dass Provokation Teil dieser Musikrichtung ist. Dass sich gerade „K.I.Z.“ durch Ironie, Sarkasmus und schwarzen Humor auszeichnen. Und überhaupt gilt ja noch die künstlerische Freiheit. Doch selbst wenn man diese Erklärungen für die Textzeilen gelten lässt – was man nicht zwangsläufig muss –, stellt sich die Frage, warum es ausgerechnet auf einem Konzert gegen Hass solche Lieder auf die Bühne schaffen. Wie passt das zusammen? Und ist den Musikern und Demonstranten nicht klar, dass solche Episoden von ihren Gegnern mit Handkuss aufgegriffen werden? Prompt zitierte AfD-Chef Jörg Meuthen in einer Talkshow aus dem „K.I.Z.“-Repertoire und brachte damit die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt in Erklärungsnöte.

Dass die Umfragewerte der AfD in den vergangenen Tagen erneut stiegen, überrascht da wenig. Im Osten hat sie dieser Tage sogar erstmals die CDU überholt. Getan hat die Partei dafür recht wenig. Warum auch? Den Wahlkampf besorgen andere für sie.

 
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  • Undine
    Äußerste Entschiedenheit und Vernunft für unsere Demokratie gegen Hass und Gewalt wäre evtl. wirksamer.
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  • Undine
    Ich habe auch kein Verständnis, wenn auf Konzerten gegen Rassismus Lieder gespielt werden, die extrem demokratieferne und frauenverachtende Themen besingen. Man "wolle nur provozieren", kann ja jede Seite von sich behaupten. Was soll eigentlich provoziert werden? Noch mehr Leid, verursacht durch Diskriminierung, Intoleranz, Rassismus und Frauenfeindlichkeit also schlichtweg Menschenverachtung?
    Außerdem kommen mir diese Morde (ob bereits verurteilt oder nicht) langsam wie eine neue Form der Selbstmordattentate vor, um in Deutschland Unruhe zu schaffen und eine extreme Spaltung zu verursachen. Ich weiß nicht ob es möglich ist, aber ich finde es am Sinnvollsten, wenn sich wenn alle Parteien in solchen Fällen gemeinsam gegen Gewalt und Menschenfeindlichkeit an einem Strang ziehen würden und sich auf unsere demokratischen Grundsätze besinnen. Diese Migranten kommen ja gerade aus diktatorischen Ländern, die Menschenrechte mit Füßen treten und bringen das "Gewaltpotential" zu uns.
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  • RichardKrauss
    Wer im Politbetrieb tätig ist, handelt ganz selten aus schierer Naivität oder gar Dummheit. Wenn Herr Maaßen von Mord spricht, obwohl weder Anklage , noch ein Gerichtsverfahren stattgefunden haben und schon gar kein rechtskräftiges Urteil gefällt wurde, ist das mehr als befremdlich. Noch merkwürdiger wird es, wenn Herr Maßen das Glanzprodukt des deutschen Journalismus BILD über seine Erkenntnisse informiert, Rückendeckung des Innenministers erhält und die BK nicht unterrichtet wurde. Ein Skandal ist es ebenso, dass bis gestern Abend keine Pressemeldung der Polizei Chemitz auffindbar war, die über einen nachweislichen Überfall auf das jüdische Restaurant Schalom am 28. August in Chemnitz berichtet. Mit der Beweissicherung am Tatort wurde 10 Tage nach dem Tatzeitpunkt begonnen. Man ging anfangs von "versuchter Sachbeschädigung"aus,obwohl etwa ein Dutzend Neonazis laut wahrnehmbar "Hau ab aus Deutschland du Judensau"geschrien hatten. - Es ist erbärmlich und zutiefst beschämend.
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  • Einwohner
    Und für all das gib es Beweise oder handelt es sich hier auch um die von Ihnen angeprangerte Vorverurteilung? Hat nicht auch die BK und andere bereits eine Vorverurteilung durchgeführt obwohl die Sachlage offensichtlich nicht geklärt war bzw. ist und die "Fakten" eventuell sogar manipuliert waren?
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  • RichardKrauss
    Gegenstand meines Kommentars is Herr Maßen und nicht Frau Merkel. Es ist ein nicht gelungenes offensichtliches Ablenkungsmanöver.
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  • R.Silber
    @Psalm23, der 23. Psalm hat für die Christen besondere Bedeutung, weil Jesus Christus sich selbst gemäß dem Johannesevangelium als der „gute Hirte“ bezeichnet, der sein Leben für die Schafe hinzugeben bereit ist. Nur bekomme ich immer leichte Bauchschmerzen, wenn ausgerechnet die Kirche in Themen der Nächstenliebe Stellung bezieht. Ausgerechnet ein Verein, der seit Jesus Geburt eine Blutspur hinter sich herzieht, eine Kirche, die noch vor 150 Jahren Menschen gekreuzigt, verbrannt und gefoltert hat, und dies alles im Namen des Herrn. Eine Kirche, die Kinder und Jugendliche weltweit vergewaltigt und demütigt und dies immer noch unter den Teppich kehrt. Im 2. Weltkrieg hat die Kirche sich schön auf die Seite derer geschlagen, wo sie am wenigsten Widerstand zu erwarten hatte. Ihre Meinung unter diesem Pseudonym befremdet mich sehr, ist doch ausgerechnet dieser Verein für Millionen von Toten verantwortlich.
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  • TLW-tu_W
    ThomasB Anstatt abzulenken, könnten Sie sich mit dem Kommentar auseinander setzen.

    Ihr ganzer Text hat weder etwas mit dem Artikel, noch mit dem Kommentar zu tun auf den Sie antworten.

    Wie soll so eine gelungene Diskussion entstehen?
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  • R.Silber
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • Lebenhan1965
    @ ThomasB

    Trotzdem ist es richtig, dass die Kirchen sich jetzt deutlich von rechtsextremen Gedankenschlecht distanziert und davor warnt.

    Den Fehler der mangelnden Abgrenzung vor den Nazis - wie in den 30ern - wollen und müssen sie jetzt vermeiden und das ist gut so!
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  • R.Silber
    @Lebenhan, wie die Kirche mit den Vergewaltigungsexzessen weltweit umgeht, können wir tagtäglich in den Zeitungen lesen. Hier werden ranghohe Priester schnell versetzt um das Geschehene unter den Teppich zu kehren. Es wird in den allermeisten Fällen vertuscht und gelogen, so wie immer. Papst Franziskus ist zwar eine Chance für diesen Verein, noch nie hatte die Kirche einen derart ehrlichen Papst, aber auch er wird sich leider nicht gegen diese mafiaähnlichen Strukturen durchsetzen können.
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  • Lebenhan1965
    @ ThomasB

    Auch ich rege mich über diese Vertuschung von Verbrechen seitens des Klerus auf. Aber nichts desto trotz hat die Kirche das Recht vor dieser faschistischen Gefahr zu warnen, die durch die AfD salonfähig geworden ist.

    Die Gefahr des Abrutschens in den Faschismus besteht real.
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  • meeviertel
    Nur ein Beispiel: Zitat: "Dann die Protestveranstaltungen, an denen auch Rechtsextremisten beteiligt waren und während denen es zu Übergriffen auf Polizisten, Journalisten und Ausländer kam." In einem sogenannten Leitartikel muss ich wenigstens gutes Deutsch erwarten.
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  • Einwohner
    Die Wahrheit muss auf den Tisch, egal wie die tatsächlich aussieht. Falls die Presse und die Bundeskanzlerin hier die Demonstranten, eine Stadt, ja eine ganze Region voreilig und zu Unrecht verurteilt haben, muss auch diese Wahrheit auf den Tisch und auch akzeptiert werden.
    Man kann nicht immer nur das glauben und verkünden was einem ins eigene Weltbild passt, sondern man muss sich an belastbare Fakten halten. Das gilt nicht nur vor Gericht, sondern auch für die Presse und die Regierung.
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  • MedDeeg@web.de
    Hier geht es nicht um "Schwarz-Weiß" sondern um Richtig und Falsch.
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  • MedDeeg@web.de
    Warum so hoch gegriffen? Ein einfaches Beispiel: Maaßen redet von"Mord", ermittelt wird aber wegen Totschlags. Für Mordmerkmale gibt es keine Hinweise. Die Aussage ist somit falsch.
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  • Plecherbub
    Also ich habe mich anfangs durch diesen einen einzigen Videoausschnitt, in dem einer einem offensichtlichen Migranten hinterherrennt und versucht ihm in den Hintern zu treten und dann stehen blieb, auch dazu leiten lassen von einer Hetzjagd zu reden. Nachdem aber immer wieder dieser Ausschnitt und nur dieser zu sehen war, ohne weitere Bilder und Aufnahmen, war ich mir dessen nicht mehr so sicher, ob es sich wirklich um eine Hetzjagd handelte. Wenn nur dieser Ausschnitt vorliegt, dann ist das zu wenig, wo sind die Augenzeugen, die Bilder, verletzte und verfolgte Migranten, die das beweisen? Die veröffentlichten Aufnahmen geben das nicht her. Was sollen Maaßen und Seehofer denn sagen, wenn trotz dieser großen Medienpräsenz vor Ort sonst keine Beweise vorliegen, nur mal vorsichtshalber bei der Hetzjagdthese bleiben, weil es gewissen Kreisen so schön in das Bild des fremdenfeindlichen und rassistischen Deutschen passt? Warten wir ab, was der Verfassungsschutz für Erkenntnisse hat.
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  • MedDeeg@web.de
    Sie haben recht, der Ausschnitt wurde sehr oft gezeigt. Das liegt aber wohl daran, dass er auf mehreren Ebenen "brillant" ist und insbesondere die Tonspur tiefe Einblicke gewährt.

    Fakt ist aber auch, dass es zahlreiche Zeugenaussagen gibt, die ähnliches berichten und die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt. Und die Aufnahmen vom marschierenden Mob und den Nazis, die dachten, sie sind Schotten, kann Ihnen unmöglich entgangen sein. "Beste" Stimmung also....
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  • Lebenhan1965
    @ hentinger

    Wer sagt denn, dass diese Leute, die vor der Kamera die Hosen runter lassen nicht die gleichen sind, die das jüdische Restaurant Schalom beschädigt und den Wirt bedroht haben und das Ganze ohne jegliche Toleranz für jüdische Mitbürger.

    Ihr Verständnis für Nazis, die Mitbürger bedrohen und den Hitlergruß zeigen lässt einen zweifeln ob Sie selbst noch auf dem Boden der demokratischen Grundordnung stehen.

    Das Gewaltmonopol des Staates in Zweifel zu ziehen ist nie tragbar, egal aus welchem politischen Motiv heraus.
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  • Lebenhan1965
    @ hentinger

    Wollen Sie behaupten, dass Menschen, die den Hitlergruß zeigen und "Ausländer raus" skandieren auf dem Boden des Grundgesetzes stehen?

    Auch Ihnen durfte bekannt sein, dass dieser Gruß verboten ist als verfassungsfeindliches Kennzeichen.

    Es waren viele, die in Chemnitz den rechten Arm zum Gruß hoben.

    Gestehen Sie diesen Menschen zu unsere Rechtsordnung mit ihrer Gedankenwelt in Gefahr zu bringen? Hat nicht unser Staat das Recht und die Pflicht die Verfassung zu verteidigen, die uns immerhin seit 70 Jahren ein Leben in Frieden und steigendem Wohlstand ermöglicht hat? Wenn wir Menschen an die Macht bringen, die Nationalismus predigen und gegenseitige Missachtung, dann werden wir die schönsten Zeiten in Europa bald hinter uns haben. Denn Nationalismus bringt Krieg und Verderben über Europa, wie uns die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts es deutlich gelehrt haben sollte.
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  • Lebenhan1965
    @ hentinger

    Ich bezweifle, dass Sie die Intentionen unserer Verfassung verstanden haben, denn diese ist ganz sicher nicht nationalistisch.

    Falls Sie es vergessen haben, Artikel 1 lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

    Da steht nichts von "deutschen" Menschen!
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