Bundeskanzlerin Angela Merkel, seit Wochen in Sachen Euro-Rettung im Dauereinsatz, von Krisengipfel zu Krisengipfel unterwegs, kehrt am heutigen Montag der Alten Welt den Rücken und fliegt um den halben Globus nach Indonesien. Bei ihren Gesprächen im viertgrößten Staat der Welt geht es ausnahmsweise nicht um die Euro-Krise, sondern um Friedenssicherung, Pirateriebekämpfung, Klimaschutz und die deutsch-indonesischen Wirtschaftsbeziehungen.
Nur, Angela Merkel kann noch so weit weg fliegen, dem Thema Euro-Krise kann sie nicht entfliehen. Dafür sorgt auch das Bundesverfassungsgericht: Am Dienstag, wenn sich die Kanzlerin mit dem indonesischen Staatspräsidenten Susilo Bambang Yudhoyono trifft, findet in Karlsruhe die mündliche Verhandlung über die Eilanträge gegen den dauerhaften Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin statt. Es entbehrt dabei nicht einer gewissen Pikanterie, dass ausgerechnet die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin als Prozessbevollmächtigte des Vereins „Mehr Demokratie“ gleich drei Verfassungsorganen, Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat, vorwirft, elementare demokratische Mitwirkungsrechte verletzt zu haben. Dieser Vorwurf wiegt schwer.
Ungemach droht der Kanzlerin auch von anderer Seite. Möglicherweise noch während der Sommerpause wird der Bundestag in Sondersitzungen entscheiden müssen, ob Spanien und Zypern Mittel aus dem Euro-Rettungsschirm erhalten – nach Griechenland, Portugal und Irland. Was im Grunde wie eine Selbstverständlichkeit klingt, könnte sich für Merkel noch als schwere innenpolitische Bewährungsprobe erweisen. In der schwarz-gelben Koalition steigt die Zahl der Gegner von Abstimmung zu Abstimmung. Sowohl beim zweiten Hilfspaket für Griechenland wie beim ESM verfehlte sie die Kanzlermehrheit, und die SPD droht bereits damit, dieses Mal nicht als Mehrheitsbeschafferin zu fungieren. Dass Gelder direkt aus dem Hilfsfonds an Banken fließen und der Staatenrettungsfonds auf diese Weise zum Bankenrettungsfonds wird, erzürnt nicht nur die Opposition, sondern auch in der Koalition wächst der Widerstand. Denn für viele ist damit endgültig eine rote Linie überschritten.
Merkel hat noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Das sagt kein Geringerer als der erste Mann im Staate, Bundespräsident Joachim Gauck – und legt damit seinen Finger in die offene Wunde der Kanzlerin. Zwar stehen die Bundesbürger mehrheitlich hinter ihr und vertrauen ihr – noch, aber sie verstehen immer weniger, was auf den Krisengipfeln in Brüssel eigentlich beschlossen wird und ob die Bedingungen, die gestern einem Staate noch auferlegt wurden, heute noch gelten oder morgen schon wieder verändert werden. Merkel, ohnehin keine begnadete Menschenfischerin, die lieber leise im Hintergrund ihre Fäden zieht, gelingt es nicht, ihre Politik verständlich zu erklären. Da aber schon die eigenen Abgeordneten kaum mehr wissen, um was es geht, wie sollen es da die Bürger noch verstehen?
Für drei Tage darf es Jakarta sein. Aus der Distanz mag die Euro-Krise, die den gesamten Kontinent in seinen Grundfesten erschüttert, etwas kleiner und weniger bedrohlicher wirken, auflösen aber wird sie sich nicht. Und die Zweifel, ob der eingeschlagene Weg der Richtige ist, bleiben. Angela Merkel muss noch viel erklären.