Folgen den großen Worten auch große Taten? Die Erklärungen der künftigen Koalition lassen befürchten, dass die neue Bundesregierung ebenso entschlossen gegen Steuerbetrüger vorgehen wird wie die alte. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD klingt energisch: „Wir sind uns einig, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, ein wirksamer Steuervollzug und die konsequente Einhaltung der Schuldenbremse für die Sicherung der Einnahmen und der Handlungsfähigkeit des Staates unerlässlich sind.“ Vom entschlossenen Kampf gegen Finanzbetrug, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Terrorismusfinanzierung ist die Rede. Stellt die Koalition also endlich die richtigen Weichen?
Das dürfte man ja auch erwarten bei einem Finanzminister Wolfgang Schäuble, der mit Steuerhinterziehung seit der Parteispendenaffäre persönliche Erfahrungen hat, also voll im Thema ist. Mit Feuereifer arbeitete Schäuble am Steuerabkommen mit der Schweiz – einer Amnestie für jene, die ihr Geld lieber auf Schweizer Konten anlegen, als Steuern zu zahlen für Bildung, Sicherheit und intakte Straßen.
Das Abkommen hätte die Arbeit von Steuerfahndern torpediert, die jährlich ein Mehrfaches ihres Gehalts eintreiben. Es sollte auch den Einkauf von Steuer-CDs zweifelhafter Herkunft eindämmen. Letztlich scheiterten die Pläne am Widerstand der Opposition. Das büßen Steuerhinterzieher wie Uli Hoeneß. Zutreffend sagt der unterfränkische SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib: „Allein 1880 Selbstanzeigen von Anfang 2013 bis Ende Juli in Bayern beweisen, wie falsch das Steuerabkommen gewesen wäre und wie richtig konsequente Verfolgung von Steuerhinterziehung ist.“
Steuerfahnder brauchen die Unterstützung ihrer Vorgesetzten und der Politik: Doch im Koalitionsvertrag bleibt es bei wolkigen Absichtserklärungen. Bei den Fahndern bleiben viele Stellen unbesetzt, das heißt: immer weniger Kontrollen. Und man braucht Profis, die effektiv arbeiten können, um jene im Verborgenen operierenden Tätergruppen der organisierten Kriminalität zu fassen, die mit Drogen, Zigaretten oder Flüchtlingen Geld machen. Zöllner wie der Gewerkschaftsvertreter Frank Buckenhofer vermissen im Koalitionsvertrag Konkretes über die stärkere Vernetzung der Steuerfahndungen der Länder untereinander, über den Ausbau des Zollkriminalamtes zum „Steuer-BKA“ und das Zusammenführen der weit verstreuten Kontroll-, Fahndungs- und Ermittlungsbehörden des Zolls unter dem Dach des Zollkriminalamtes zu einer wirksamen Bundesfinanzpolizei.
Dass Italien eine gut funktionierende Guardia di Finanza hat und wir nicht, ist blamabel. Im Bundestag wurde das diskutiert – und abgebügelt, weil der Vorschlag von der Partei Die Linke kam. Dabei wäre die Vereinigung der Zollkriminalen unter einem Dach echter Bürokratieabbau: Man bräuchte nur 20 Hauptzollämter statt 43 und keine fünf Bundesfinanzdirektionen samt Präsidenten, weil zwei reichten.
Aber bei der Bewahrung solcher Pfründe beweist die Bürokratie Beharrungsvermögen und die Koalition wenig Tatkraft. So bleibt die Bekämpfung der Steuerkriminalität stecken, im politischen Niemandsland zwischen Bundesinnenminister, der für die Polizei zuständig ist, aber bei Steuerdelikten nicht tätig werden darf, und Bundesfinanzminister, der zuständig ist, aber nicht recht tätig werden will.