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Leitartikel: Wir haben das noch nicht geschafft
Sarah-Sophie Schmitt
Sara Sophie Fessner
 |  aktualisiert: 12.09.2016 03:45 Uhr

Wir schaffen das“, verkündete Angela Merkel (CDU) vor der Bundespressekonferenz am 31. August 2015. Worte, die ihre Wirkung nicht verfehlten. Weder in die eine noch in die andere Richtung. Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer fühlten sich in ihrem Handeln bestärkt. Endlich eine offizielle Anerkennung ihres Tuns. Endlich ein „Weiter so!“

Andere teilten den Optimismus der Bundeskanzlerin nicht. Merkel wurde für die Äußerungen vielmehr heftig kritisiert – von Bürgern und von Politikern gleichermaßen. Zeitweise standen weniger als 20 Prozent der Deutschen hinter der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Die Folgen waren und sind erschreckend: Ehrenamtliche wurden für ihren Einsatz müde belächelt, manchmal gar beschimpft. Die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in der Bundesrepublik haben sich im vergangenen Jahr verfünffacht. Die Umfragewerte der AfD sind gestiegen, die Partei hat es sogar in mehrere deutsche Landtagsparlamente geschafft.

Rund 1,1 Millionen Menschen kamen im vergangenen Jahr nach Deutschland. Eine Herausforderung für Deutschland. Noch immer. Die Flüchtlingskrise ist noch nicht vorbei. Weder in den Herkunftsländern, wo die Fluchtursachen bekämpft werden müssen, noch in Deutschland. Nachdem Asylanträge bearbeitet und Pässe ausgestellt sind, beginnt nun der entscheidenden Part des Prozesses: die Integration. Den anerkannten Flüchtlingen muss die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Nur so können sie sich auch in Deutschland heimisch und zugehörig fühlen. Und nur so können Parallelgesellschaften verhindert werden.

Die Politik und die Bürger müssen aus den Fehlern früherer Jahre lernen. Die neuen Mitbürger brauchen Sprachkurse, eine eigene Wohnung, eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle – all das muss nun zur Verfügung stehen. Aufgaben, die nun nicht mehr von den vielen Ehrenamtlichen bewältigt werden können. Die Politik muss handeln. Das Integrationsgesetz ist dabei ebenso wichtig wie Programme zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus und zur Einbindung der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt. Doch es sind nur die ersten Schritte auf dem langen Weg, der noch vor uns liegt.

Ein Weg, der nicht nur in eine Richtung beschritten werden darf. Zugleich müssen in der Debatte um die Flüchtlinge auch die Sorgen und Ängste der Deutschen in den Blick genommen werden. Unaufgeregt und sachlich, ohne Hysterie, ohne Propaganda. Nach rund einem Jahr des Miteinanders wird deutlich, dass nicht immer alles reibungslos und friedlich verläuft. Dass es Probleme geben kann. Die Ereignisse der Kölner Silversternacht haben das auf traurige Weise gezeigt. Es gibt Menschen, die sich nicht an Regeln halten – unter den Deutschen, unter Flüchtlingen, in jeder Gruppe. Eine sachliche Debatte darüber muss nicht nur möglich sein, sie muss auch geführt werden.

Es muss möglich sein, von Sorgen und Ängste zu berichten, ohne gleich in die rechte Ecke gedrängt zu werden. Die Bedenken und Bedürfnisse der Deutschen müssen berücksichtigt werden. Nur so werden sie bereit sein, einen Schritt auf die Neuankömmlinge zuzugehen. Nur so kann Integration gelingen. Und nur so kann ein neues, starkes und, ja, auch multikulturelles „Wir“ in Deutschland entstehen.

 
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