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Leitartikel: Wie Trump die Fakten einfach abgeschafft hat
Karl Doemens
Karl Doemens
 |  aktualisiert: 02.02.2020 02:10 Uhr

Wer den aktuellen Gemütszustand des amerikanischen Präsidenten erkunden will, der muss auf Twitter gehen. Donald Trumps Kurznachrichtenkonto funktioniert wie ein Pulsmesser: Schießt die Frequenz an Kurzbotschaften in die Höhe, rast offenkundig die Pumpe des Patienten. So war es auch an Weihnachten. „Die radikale Linke ist durchgedreht!“, polterte Trump. Und erregte sich über die „verrückte Nancy Pelosi“, Sprecherin im Repräsentantenhaus.

Der Furor des Poltergeists in seinem Feriendomizil in Florida hat einen Grund. Trump schreibt nämlich gerade Geschichte – allerdings anders, als es ihm lieb ist: Als dritter Präsident der USA muss er sich einem Amtsenthebungsverfahren stellen, weil er nach übereinstimmenden Aussagen zahlreicher Zeugen den ukrainischen Präsidenten mit der Aussetzung einer zugesagten Militärhilfe zu einer Schmutzkampagne gegen seinen Rivalen Joe Biden genötigt hat.

Die Republikaner werden alles tun, um Trump zu retten

So offensichtlich die persönliche Kränkung des Narzissten durch das Verfahren ist, so ungewiss ist der politische Ausgang. Dass Trump am Ende tatsächlich aus dem Oval Office vertrieben wird, erscheint extrem unwahrscheinlich. Die Anhörungen haben nicht zu einer Empörungswelle in der amerikanischen Öffentlichkeit geführt, in Umfragen verharren die Zustimmungswerte zur Amtsenthebung bei 45 bis 50 Prozent. Die Republikaner, die im Senat die Mehrheit halten, sind in den vergangenen Jahren zu einem Haufen opportunistischer Günstlinge und Söldner des Präsidenten verkommen. Sie werden alles tun, um ihn zu retten.

Politik ist in Amerika unter Trump endgültig zur Glaubenssache geworden, und die Impeachment-Debatte hat die Fronten in der Gesellschaft weiter betoniert. Wer abends die krachledernen Agitationsshows im rechten Fernsehsender Fox News einschaltet, der katapultiert sich in eine Parallelwelt. Von den unzähligen Lügen, der skrupellosen Einschüchterung aller Kritiker und der versuchten Wahlmanipulation durch den Staatschef ist dort nicht die Rede. Stattdessen mutiert Obamas Ex-Vize Joe Biden zum finsteren Vertreter des korrupten Establishments, und es sind die Demokraten, die mit einer angeblichen Verleumdungskampagne die Präsidentschaftswahl von 2016 rückgängig machen wollen.

In den USA ist die Wirklichkeit relativ

Die Dauerbeschallung der Öffentlichkeit durch rechte Medien, Verschwörungstheoretiker und den Twitterkanal des Präsidenten verfehlt ihre Wirkung nicht: Immer unwichtiger werden Fakten, immer relativer erscheint die Wirklichkeit. Fast 90 Prozent der Trump-Wähler stehen ungerührt hinter ihrem Idol. Gleichzeitig führt die Inflationierung der Tabubrüche durch Trump zu deren Banalisierung. Wer wundert sich noch ernsthaft, dass der Präsident der USA dem Parlament seine Rechte verweigert und wichtige Dokumente und Zeugen zurückhält? Dass er mitten in der Untersuchung seinen Anwalt Rudy Giuliani erneut in die Ukraine reisen lässt, um die Intrige gegen Biden zu befeuern?

Trump hat einmal gesagt, er könne einen Menschen auf der Fifth Avenue erschießen, ohne dass dies jemand aufrege. Die nächsten Monate werden zeigen, ob er mit diesem zynischen Spruch recht behält. Mit seiner demonstrativen Geringschätzung der Gesetze und der Verfassung ist der Möchtegern-Autokrat eigentlich der Musterkandidat für eine Amtsenthebung.

Wenn das Verfahren im Senat trotzdem niedergeschlagen wird, ist dies kein Beweis für seine Unschuld, sondern für die zunehmende Zersetzung der unabhängigen Institutionen durch diesen Präsidenten.

 
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  • L. W.
    Trump und Netanjahu

    sind Brüder im Geiste und Gesinnungen.

    Alles für sich und nichts für die Welt da draußen.

    Menschen, die noch ein restliches Ehrbewusstsein hätten wären in solchen Situationen längst freiwillig zurück getreten. Diese Egomanen klammern sich an ihr Amt und haben jeweils ihre Partei als Beute vereinnahmt und was verwundert, diese Parteien haben aus Angst vor Oppositionsarbeit dies mit sich machen lassen.

    Gegen diese Herrschaften liegen jeweils erdrückende Beweise wegen Amtsmissbrauchs und Bestechlichkeit vor und dennoch dulden ihre Parteien diese. Netanjahus Vorgänger Olmert hatte noch Ehrbewusstsein und ist bei einer ähnlichen Situation zurück getreten. Netanjahu jedoch schürt den Unfrieden mit den Mitbürgern im Land um nicht zum Rücktritt gezwungen werden zu können. Trump verkauft amerikanische Interessen an seine Geldgeber Russland und Saudi Arabien um den persönlichen Konkurs abzuwenden und seine Fans weiter blenden zu können.

    Tiefer geht's kaum noch.
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