Die Idylle ist vorüber. Und damit auch die Zeit des eher geruhsamen Regierens. In den vergangenen vier Jahren ist der Bundestag nicht gerade als Ort großer kontroverser Debatten zwischen der Regierung und der Opposition in Erscheinung getreten, zu übermächtig war die alles erdrückende 80-Prozent-Mehrheit der Großen Koalition. Und obwohl die Regierungsfraktionen den beiden kleinen Oppositionsparteien etwas mehr Redezeit zur Verfügung stellten, endeten Debatten stets als Selbstgespräch der Großen Koalition.
Dazu gesellten sich weitere Probleme: Die Opposition war nicht nur zahlenmäßig schwach, sondern auch viel zu lange mit sich selbst und ihren Flügelkämpfen beschäftigt, die bei der Linken gerade wieder mit aller Wucht offen zutage treten. Und in der Flüchtlingskrise gab es praktisch keinen Widerpart zur Regierung, Grüne und Linke unterstützten die Politik Merkels, die Kurskorrektur wurde von der Union selber erzwungen.
Wenn am heutigen Dienstag 30 Tage nach der Bundestagswahl der neue Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt und seine Arbeit offiziell aufnimmt, ist alles anders. Statt vier Fraktionen gibt es nunmehr sechs, die Zahl der Abgeordneten hat mit 709 einen neuen Rekord erreicht. Und nachdem die Republikaner, die NPD, die DVU oder die Schill-Partei schon in etlichen Landtagen gesessen hatten, gibt es nun auch im Bundestag eine politische Kraft rechts der Union mit 92 Parlamentariern.
Die Opposition agiert sowohl von links als auch von rechts
Die Debatten werden kontroverser, die Auseinandersetzungen hitziger, der Streit um die Sitzordnung, eigentlich eine Lappalie, hat bereits einen ersten Vorgeschmack auf künftige Kontroversen geliefert. Sollte tatsächlich eine Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen zustande kommen, stünde ihr eine deutlich stärkere Opposition als bisher sowohl von links als auch von rechts gegenüber. Merkels vierte Kanzlerschaft steht von Anfang an unter einem völlig anderen Druck, von innen wie von außen.
Vor allem der Einzug der AfD wird den Ton im Hohen Haus erkennbar verändern. Zwar beteuern die Rechtskonservativen, eine „bürgerliche“ Partei sein zu wollen, doch die bisherigen Äußerungen ihrer Vertreter atmen einen völlig anderen Geist, wenn sie den „Systemparteien“ den Kampf ansagen, die Regierung „jagen“ und Abgeordnete „entsorgen“ wollen. Auch im Bundestag wird die AfD an ihrem Geschäftsmodell der ständigen Provokation und der gezielten Tabubrüche festhalten, um sich hinterher als „Opfer“ der etablierten Parteien inszenieren zu können.
Die AfD als normale Fraktion wie alle anderen behandeln
Um das zu verhindern, sollten die anderen Parteien nicht über jedes Stöckchen springen, das ihnen die AfD hinhält, sondern sie als normale Fraktion mit allen Rechten, aber auch allen Pflichten behandeln und sie inhaltlich stellen. So steht ihr ein Vizepräsident zu – aber es muss ein Kandidat sein, der das gesamte Haus nach innen wie nach außen würdig repräsentiert. Offener Rassismus sowie Hetze gegen Andersdenkende, Andersaussehende und Andersgläubige haben in einem Parlament dagegen nichts zu suchen. Ein Politiker mit der Lebenserfahrung, der Klugheit und der Schärfe eines Wolfgang Schäuble als Präsident ist eine Gewähr dafür, dass alle Fraktionen gleich behandelt werden, aber auch die Würde des Hauses gewahrt bleibt.
Seine Autorität wird gebraucht.
Der Wähler hat gesprochen. Der neue Bundestag ist ein getreues Abbild der politischen Stimmung in diesem Lande, wie es dem Prinzip der repräsentativen Demokratie entspricht. Allein schon deshalb unterscheidet er sich deutlich vom vorherigen. Zur Demokratie gehören aber auch die Prinzipien der Mehrheitsentscheidung und der Gewaltenteilung. Die AfD steht vor der Entscheidung – will sie Teil des demokratischen Systems werden oder dieses weiter verachten und bekämpfen? Gauland oder Petry, das ist die Bruchlinie der Partei. Beides gleichzeitig geht nicht.
Diese Entscheidung hat die AfD doch gar nicht mehr.
Frauke Petry hat ob des vollzogenen Rucks in Richtung Nazipartei die AfD und die Fraktion verlassen und will sich in einer Lücke zwischen AfD und FDP neu mit einer "Blauen Partei" etablieren.
Dass dieser Ruck in Richtung totalitäre rechte Gesinnung von Gauland ernst genommen wird zeigt ja auch der präsentierte Kandidat für die Vizepräsidentschaft im Bundestag. Ein Kandidat der Grundregeln des Grundgesetzes missachten will kann aber nicht gleichzeitig das höchste Verfassungsorgan dieses Grundgesetzes repräsentieren.
Ich hoffe er wird genauso scheitern wie einst Lothar Bisky von den Linken.
Sollen die etablierten Parteien und die Medien doch weiterhin blindlinks (welch passendes Wort!) in dieser Weise auf die AFD eindreschen ! Der Schuss wird erneut nach hinten losgehen.