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Leitartikel: Warum Xi Jinping nicht glänzen darf
Von FRANK HOLLMANN red.politik@mainpost.de
 |  aktualisiert: 23.11.2012 19:26 Uhr

Als Chinas neuer starker Mann vor die Presse trat, raunten die anwesenden Journalisten. Hinter Xi Jinping betraten nur sechs statt wie erwartet acht Männer das Podium. Auf dem gerade beendeten Parteitag der Kommunistischen Partei (KP) Chinas war der Ständige Ausschuss des Politbüros, das mächtigste Gremium, verkleinert worden. Schon begannen die Spekulationen. Bedeutet das eine größere Machtfülle für den neuen Parteichef Xi Jinping?

Doch trotz der veränderten Personalstärke kann sich Xi keine Alleingänge leisten. Chinas Kommunisten haben Lehren aus der Mao-Ära gezogen. Beim „Großen Sprung“ vom Bauern- zum Industriestaat verhungerten Millionen. Mao hetzte die jugendlichen Roten Garden auf Eltern, Lehrer und Vorgesetzte und spaltete damit die Gesellschaft. Seitdem graut es der chinesischen Führung vor jedem Personenkult.

Chongqings Parteichef Bo Xilai wurde offenbar gestürzt, weil er durch sein hartes Durchgreifen gegen die Mafia und die Rückbesinnung auf revolutionäre Bräuche bei der Bevölkerung immer populärer wurde. Als beim schweren Erdbeben in Sichuan 2008 Premier Wen Jiabao ins Katastrophengebiet eilte, wuchs sein Ansehen bei den Menschen. Nach wenigen Tagen löste ihn Parteichef Hu ab. Unter Chinas grauer Führungsriege darf keiner zu sehr glänzen. Auch Hus Macht war begrenzt. So konnte er seinen Favoriten als Nachfolger nicht durchsetzen. Li Keqiang wurde nur die Nummer zwei im Ständigen Ausschuss des Politbüros und soll im kommenden Jahr neuer Regierungschef werden.

Entschieden hat das ein Kreis von etwa 200 bis 300 Kadern. Zu ihnen zählen die Mitglieder des Politbüros, Parteichefs, Gouverneure wichtiger Provinzen, hochrangige Militärs, aber auch ehemalige Spitzenfunktionäre. Bei der Eröffnung des Parteitages saß direkt neben dem scheidenden Parteichef, Hu Jintao, dessen Vorgänger Jiang Zemin. Auch mit 86 Jahren gilt er als der Mann mit dem größten Einfluss. Er soll Xi Jinping als neuen Partei- und künftigen Staatschef durchgesetzt haben. Der Sohn eines Weggefährten Maos gilt als Meister des Kompromisses. Ihm traut die KP-Spitze offenbar am ehesten zu, die Balance zwischen den Interessen der verschiedenen Parteiströmungen, dem Militär und den Regionen auszutarieren.

Gerade die Macht der Provinzen ist gewaltig. Einige haben mehr Einwohner als Deutschland mit einem höheren Bruttosozialprodukt als viele europäische Staaten. Das bedeutet eine gewisse Unabhängigkeit. Auch deshalb werden Gouverneure oft nach wenigen Jahren abgelöst. Die Parteizentrale will verhindern, dass ein Regionalfürst sich eine Machtbasis schafft.

Auch das Militär und mächtige Staatsunternehmen sind schwer zu kontrollieren. Die staatliche Eisenbahn ist das größte Unternehmen der Welt und hat sogar eine eigene Gerichtsbarkeit. Soviel Eigenständigkeit verführt zu Korruption. Gerade erst wurde der ehemalige Bahnminister Liu Zhijun aus der Partei geworfen. Er hatte beim Bau des größten Hochgeschwindigkeitsnetzes der Welt 125 Millionen Dollar abgegriffen. Ein hohes Parteiamt ist die Einladung zur Selbstbedienung. Bis zu 17 Prozent aller Staatsausgaben gehen für Schmiergelder drauf, schätzen Experten. Auch deshalb rangeln Chinas Spitzenfunktionäre um Posten und Einfluss – stets hinter verschlossenen Türen.

 
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