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Leitartikel: Warten auf die Finanzkrise 2.0
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 22.12.2015 14:54 Uhr

Man kann, man muss es so sagen: 2013 war ein ziemlich gutes Wirtschaftsjahr. Für Unternehmen und Anleger, für Arbeitnehmer – und sogar für den Staat. Gehen wir die Liste der Gewinner mal durch.

Der deutschen Wirtschaft geht es gut, weil die Exporte dank weltweiter Nachfrage brummen wie nie zuvor. Folge: Nächstes Jahr sollen, je nach Prognose, bis zu 1,8 Prozent Wachstum drin sein – das wäre für ein hoch entwickeltes Land in diesen Zeiten ein Spitzenwert.

Von den guten Geschäften profitierten die Anleger. Die Börsenkurse klettern und klettern, DAX und Co. sicherten den Aktionären so im zweiten Jahr hintereinander satte, zweistellige Kursgewinne. Eher im niedrigen einstelligen Bereich spielt sich das Plus der Einkommenbezieher ab. Doch immerhin: Die meisten Arbeitnehmer in Deutschland konnten sich zuletzt über ein paar Euro mehr in der Lohntüte freuen.

Von all der Prosperität hat schließlich auch der Staat etwas: Sprudelnde Steuereinnahmen in Milliardenhöhe füllten die Kassen des Fiskus. Deutschland, so scheint es, muss sich keine Sorgen mehr machen. Alle Krisen der vergangenen Jahre, sie verblassen wie ein schlechter Traum.

Die Finanzkrise von 2008 – haben wir weggemanagt. Die Wirtschaftskrise von 2009 – wurde im Rekordtempo überwunden. Die Euro- und Schuldenkrise von 2010 bis '12 – hat ihr Bedrohungspotenzial verloren, seit klar scheint, dass weder Griechenland vor der Pleite noch der Euro vor dem Aus stehen.

Alles im Lot, oder? Nein, das ist es leider nicht. Wir benehmen uns derzeit wie ein Autofahrer im dichten Nebel, der ohne Licht fährt, dafür aber immer mehr Gas gibt – weil er glaubt, so schneller aus seiner klammen Lage herauszukommen. Warum? Weil wir einfach nicht sehen, was um uns herum passiert.

Die Notenbanken pumpen in geradezu obszöner Weise Billionen Dollar und Euro in das globale Finanzsystem. Das billige Geld und Zinsen nahe der Null-Linie sollen die Folgen der Schuldenkrise mildern. Doch es sorgt vor allem dafür, dass Sparer über ihr Bankkonto faktisch enteignet werden. Der Verfassungsrechtler Paul Kirchhof ging jüngst in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ so weit zu sagen, dass damit eine „Kernidee des Privateigentums abgeschafft ist“.

Auf der anderen Seite boomen Börsen und Immobilienmärkte. Ist es die clevere Flucht in Sachwerte – oder doch schon wieder das Entstehen einer Spekulationsblase? In London liegen die Preise für Häuser heute weit höher als vor der Finanzkrise.

Fakt ist zudem, dass das Volumen von Finanzderivaten aller Art – die mit Sachwerten rein gar nichts zu tun haben – heute gigantischer ist als vor der Finanzkrise: Es sind über 700 Billionen Dollar. Ja klar, das sind nichts anderes als Wetteinsätze von Zockern! Die Frage ist für viele Experten denn auch längst nicht mehr, ob ein massiver Einbruch kommt – sondern wann.

Und es könnte ein Crash sein, der alles, was wir bislang an Finanzkatastrophen erlebt haben, noch in den Schatten stellt. Denn der Medizinschrank der Notenbanker ist leergeräumt: Wer bitte soll für hoch verschuldete Staaten neue Konjunkturprogramme auflegen? Wer ein ausschließlich auf Gier basierendes Finanzsystem der Großbanken, Hedgefonds und Zocker stabilisieren? Und wer Sparern womöglich irgendwann sagen, dass sie künftig Zinsen zahlen müssen, wenn sie ihr Geld zu einer Bank bringen?

Die Hoffnung bleibt – zumindest auf ein gutes Wirtschaftsjahr 2014. Es könnte das vorerst letzte sein.

 
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