In Firmen wie Volkswagen beschleunigt Stallgeruch die Karriere. Manager wollen sich riechen können und fördern ihresgleichen, also leider immer noch Männer mit ähnlicher Herkunft und vergleichbaren Einstellungen. Das ist menschlich. Da kann man es sich nett einrichten, und vor allem werden lästige Kritiker vom inneren Zirkel der Macht ferngehalten.
In solchen Seilschaften herrscht oft eine Gehorsams-Mentalität, in der das Fehlverhalten Einzelner gedeckt wird. Selbst ernannte Elite-Runden wie bei VW fühlen sich stark und setzen sich über das Gesetz hinweg. Kommt ein Klima der Angst hinzu, das in Wolfsburg herrschen soll, steigt der Druck auf Manager. Gerade die für das US-Geschäft zuständigen Männer standen unter Erfolgszwang. Die VW-Vorstände forderten von ihnen höhere Absatzzahlen. Der Verdacht liegt nahe, dass deshalb Diesel-Fahrzeuge mit geschönten Abgaswerten aus Profitstreben in den Markt gedrückt wurden, obwohl sie die Gesundheit schädigen können. Dass dieses Betrugssystem nicht abgestellt wurde, lässt sich mit falsch verstandener Solidarität innerhalb der Managerkaste erklären.
Irgendwann wird jedoch in einer offenen Gesellschaft fast jede Vertuschungsrunde aufgedeckt. Das hätten die VW-Manipulierer spätestens seit dem Siemens-Korruptionsskandal von 2006 wissen müssen. Das System schwarzer Kassen flog damals auf, und der Konzern war in seiner Existenz gefährdet. Doch die Münchner zogen die richtigen Lehren daraus und sind insofern ein Vorbild für VW. Siemens-Chef Klaus Kleinfeld musste gehen und auch Aufsichtsrats-Boss Heinrich von Pierer konnte sich nicht halten. Es folgten kluge Schachzüge: Mit Peter Löscher wurde ein in Amerika erfolgreicher Österreicher an die Konzernspitze gehievt. Ihm zur Seite stand dann mit US-Mann Peter Solmssen ein exzellenter Rechtsvorstand. Und die Siemens-Leute waren so clever, den Politiker und Juristen Theo Waigel als Experten anzuheuern, der überwachte, ob die neuen Anti-Korruptions-Regeln eingehalten werden.
Und Volkswagen? Hier werden zwar Konzern-Boss Martin Winterkorn und Manager aus der zweiten Reihe gestürzt, der Wolfsburger Klüngel ist aber noch aktiv. Denn statt, wie nicht nur vom Automobil-Experten Ferdinand Dudenhöffer gefordert, einen Chef von außen zu holen, wird der langjährige Winterkorn-Vertraute Matthias Müller auf den VW-Thron steigen. Der Porsche-Chef ist zwar ein guter Manager, aber eben Teil der Volkswagen-Familie, der er ein ganzes Berufsleben angehört. Ein wirklicher Neuanfang sieht anders aus, ist jedoch unter den weiterherrschenden VW-Machtkonstellationen nicht möglich. Denn ein zu geringer Anteil der Aktien befindet sich im Besitz unabhängiger Fondsgesellschaften und Kleinaktionäre. Rund 70 Prozent der VW-Anteile werden von den Familien Porsche und Piëch sowie dem Land Niedersachsen kontrolliert. Wenn sich die Familienstämme mit der SPD und der bei Volkswagen übermächtigen IG Metall einig sind, bleibt Gegenwehr meist zwecklos.
Ein solches Machtkartell ist nicht mehr zeitgemäß und muss aufgelöst werden. Wie Siemens braucht der Konzern mehr freie Aktionäre. Niedersachsen sollte sich aus dem Unternehmen zurückziehen. Die Familien müssen ihren Aktienbestand verringern. Dann kann VW ein normaler Konzern werden. Nur mit einem radikalen Kulturwandel wird die Krise überwunden. Doch dazu fehlt VW noch der Mut.