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Leitartikel: Volkstribune haben oft Unheil angerichtet
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 25.03.2017 03:46 Uhr

An Vorgängern und Vorbildern in der Geschichte herrscht kein Mangel. Mag Donald Trump mit seiner unorthodoxen wie herausfordernden Amtsführung beispiellos wirken, so ist er doch alles andere als der Erste, der als selbst ernannter Vollstrecker des Volkswillens mit allem bricht, was bislang in der Politik galt. So haben es auch Tiberius und Gaius Gracchus im antiken Rom, Cola di Rienzo im Rom des Mittelalters, Girolamo Savonarola im Florenz des ausgehenden Mittelalters oder Maximilian Robespierre im Frankreich nach der Revolution getan – Urbilder aller Volkstribunen.

Das Schema ist stets das Gleiche und ähnelt sich in frappierender Weise. In der Regel aus kleinen Verhältnissen kommend, mit ungeheurem Selbstbewusstsein und Charisma ausgestattet, schwingen sie sich dank ihres Redetalents zu Anführern auf. In angespannten Umbruchzeiten begeistern sie die verunsicherten Menschen mit einem radikalen Gegenentwurf zu den herrschenden Verhältnissen, fordern eine Beseitigung der alten Machteliten und stattdessen eine Umsetzung des Volkswillens, den allerdings nur sie zu kennen glauben.

Der Wille des Volkes ist nur Mittel zum Zweck

Doch mit der Macht wissen sie nichts anzufangen, der Wille des Volkes ist für sie nur Mittel zum Zweck, um ihre Machtgelüste zu befriedigen, zu zerstören, ohne Neues zu schaffen. Und sie scheitern alle. Die Gracchen und di Rienzo sterben eines gewaltsamen Todes, Savonarola und Robespierre werden hingerichtet. Denn auch dies ist allen gemeinsam: Die Masse, die sich schnell begeistern lässt, wendet sich genauso schnell enttäuscht wieder ab, wenn Erfolge ausbleiben. Die Radikalisierung der Gesellschaft, die die Tribunen angefacht haben, um nach oben zu kommen, wendet sich gegen sie.

So ist die Herrschaft der selbst ernannten Volkstribunen nur von kurzer Dauer, die Folgen ihrer destruktiven Politik aber sind umso verheerender. Im antiken Rom lösen die Gracchen einen hundertjährigen Bürgerkrieg aus, das Rom im Mittelalter versinkt in Chaos und Anarchie, in Frankreich folgt dem „Terreur“ die Diktatur Napoleons. Im 20. Jahrhundert sprengt die verheerende politische, ökonomische und moralische Hinterlassenschaft des „Führers“ und seiner „völkischen Bewegung“ in Deutschland alle Vorstellungskraft.

Die Zeche bezahlen, wie immer, die kleinen Leute.

An den Grundprinzipien der Gewaltenteilung gerüttelt

Wenig nur unterscheidet im Prinzip einen Donald Trump, der an den Grundprinzipien der Gewaltenteilung rüttelt, von einem Cola di Rienzo, der in seinem Größenwahn davon träumt, zum Kaiser und Papst gekrönt zu werden, wenig auch nur von einem Jörg Meuthen, der dem „moralisch verkommenen links-rot-grün versifften 68-er-Deutschland“ den Kampf ansagt, von einem Savonarola, der in seinem Furor den Prunk und den Luxus der Medici verjagt. Und wie viel Robespierre, der in Frankreich sein grausames Terrorregime errichtete, in einer Marine Le Pen oder einem Geert Wilders steckt, will man lieber nicht wissen.

Die Phänomene sind bekannt, ihre Wirkweisen auch. Niemand hat sie treffender beschrieben als der Literaturnobelpreisträger Elias Canetti in seinem Hauptwerk „Masse und Macht“, das unter dem Eindruck des Nationalsozialismus wie des Kommunismus entstand. Sein Befund hat an Bedeutung nichts verloren: Der Mensch, bedroht in seiner Existenz, sucht die Sicherheit der Masse, doch auch in ihr fühlt er sich durch das Andersartige gefährdet.

Das Ergebnis ist eine „Zerstörungssucht“ – um das eigene Überleben zu sichern, muss alles andere vernichtet werden.

Volkstribunen nützen diese Urangst aus und sichern sich die Macht, indem sie Angst und Schrecken verbreiten. Muss denn jede Generation diese Erfahrung selber aufs Neue machen? Oder haben wir aus der Geschichte nichts, aber auch überhaupt nichts gelernt? Volkstribunen verführen mit ihren süßen Sirenengesängen. Doch ihre vermeintlichen Heilsversprechen sind Gift. Nichts wird besser durch sie, alles vielmehr schlimmer.

 
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