Es wird eng. Am heutigen Donnerstag stimmen die Schotten über ihre Unabhängigkeit von Großbritannien ab. Galt die Idee lange als Teil schottischer Folklore wie Dudelsack und karierte Röcke, könnte sie nun Realität werden. Ob sich die Schotten damit einen Gefallen tun würden, ist allerdings fraglich. Alex Salmond, Chef der Scottish National Party (SNP), hat seinen Landsleuten viel versprochen. Doch es sind Versprechen, auf deren Einhaltung er nur wenig Einfluss hat.
Vor allem wirtschaftlich spielt die SNP Roulette. Die ökonomische Strategie Salmonds steht und fällt mit der Gas- und Ölförderung vor der schottischen Küste. Im Falle einer Abspaltung würden rund 91 Prozent der daraus fälligen Steuereinnahmen in Edinburgh bleiben und nicht wie bislang nach London wandern. Zwischen Schottland und den arabischen Ölstaaten gebe es „bemerkenswerte Ähnlichkeiten“, philosophierte Salmond einst während einer Nahostreise. Und erst kürzlich versprach er, die Industrie werde „viele Milliarden Barrel über viele Jahrzehnte“ produzieren. Ob die Rechnung tatsächlich aufgeht, bezweifeln Experten. In der Nordsee schlummerten viel weniger Reserven, als man in Edinburgh annehme, so die Warnung. In 35 Jahren ist wohl Schluss.
Auch in anderen Wirtschaftsbereichen scheint eine Abspaltung Risiken zu bergen. So kündigten die beiden Großbanken, Lloyds und die Royal Bank of Scotland, bereits an, im Falle einer Unabhängigkeit nach London abzuwandern. Außerdem müssten die britischen Staatsschulden aufgeteilt werden. Der neue Staat würde mit bis zu 180 Milliarden Euro im Minus aus der Wiege gehoben; knapp 86 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Weiterhin gehen zwei Drittel der schottischen Exporte nach England. Ein Freihandelsabkommen zwischen Schottland und Rest-Britanniens wäre zwar naheliegend, ist aber genauso wenig gesichert, wie die Antwort auf die Frage, welche Währung die Schotten künftig hätten. Die würden zwar gerne das Pfund behalten – eine Währungsunion lehnt London aber ab.
Bliebe der Euro. Doch dafür müsste Schottland erst einmal EU-Mitglied werden – ein weiteres Versprechen Salmonds, bei dem er jedoch die Rechnung ohne Brüssel gemacht hat. Von einer automatischen Aufnahme will man bei der EU nichts wissen. Schottland müsse wie jedes andere Land auch einen Mitgliedsantrag stellen, heißt es dort. Der Haken: Zwar würde Edinburgh wohl alle Beitrittskriterien erfüllen, allerdings müssten die Mitgliedstaaten einen Beitritt einstimmig billigen. Länder wie Spanien oder Frankreich, die ebenfalls reiche Regionen mit Unabhängigkeitsbestrebungen haben, hätten sicher kein Interesse an einem Präzedenzfall, der die Separatisten im eigenen Land beflügeln würde.
Unterdessen sind auch den Briten außerhalb Schottlands Abspaltungsbestrebungen nicht fremd: Für 2017 steht ein Referendum über einen Austritt aus der EU im Raum – für die EU-freundlichen Schotten ein weiteres Argument für die Abspaltung. Die Parallelen in der Argumentation der Abspaltungsgegner sind indes unübersehbar: Schottland geht es besser mit Großbritannien, sagen die einen. Großbritannien geht es besser mit der EU, sagen die anderen. „In beiden Fällen muss man aber über die Stärke der Beziehung und der Abhängigkeit reden“, so der britische Generalkonsul Paul Heardman.