Was für ein Start ins Jahr! Nach langen Monaten voller Verunsicherung und ständig neuer Hiobsbotschaften rund ums Thema Schuldenkrise nun das: All die dunklen Mächte, die uns glauben machten, an der Schwelle zum globalen Finanzchaos zu stehen, scheinen sich wie über Nacht in Luft aufgelöst zu haben.
Der Euro vor dem Aus? Ach was, keine Rede mehr davon – der steigende Wechselkurs gegenüber US-Dollar und Schweizer Franken zeigt neues Vertrauen. Die USA am Abgrund der Schuldenklippe? Alles easy – Amerika überrascht die Welt derzeit mit einer kräftigen wirtschaftlichen Erholung und zeigt sich selbstbewusst wie lange nicht. Das Reich der Mitte am Ende eines schier endlosen Booms? Nach Wirren wegen des Machtwechsels im Herbst brummt der Konjunkturmotor auch in China längst wieder.
Selbst aus dem kriselnden Europa gab es zuletzt gute Nachrichten. So können Schuldenkrisenstaaten wie Spanien oder Irland plötzlich wieder für vergleichsweise harmlose Zinssätze an den internationalen Geldmärkten Kapital besorgen. In Deutschland zeigen sich sowohl Unternehmen als auch Verbraucher wieder optimistischer. Und die Europäische Zentralbank, die EZB, meldet, dass Europas Krisenbanken bereits 137 Milliarden Euro an Krediten zurückgezahlt haben – weit mehr, als Experten erwartet hatten.
Kein Wunder, dass es vergangene Woche beim Weltwirtschaftsforum in Davos fast schon wieder zugegangen sein soll wie zu alten Zeiten. Eine russische Investmentbank habe in einem eigenen Zelt nachts die Puppen tanzen lassen, berichtete ein Reporter. Und ein US-Banken-Boss soll zu den untransparenten Finanzprodukten seiner Branche schulterzuckend gemeint haben: Es wisse ja wohl auch keiner, wie ein Flugzeugtriebwerk genau funktioniert.
Neben dem Ärger über eine aus der Zeit gefallene Luxusveranstaltung in den Schweizer Bergen birgt die ins Tiefland gesickerte Davoser Champagnerlaune auch eine echte Gefahr: Die Krise scheint besiegt, so die Botschaft, also kann man wieder so weitermachen wie bisher.
Eben nicht! Die Krise des Weltfinanzsystems ist nicht vorbei, allenfalls konnte man – unter Einsatz massiver Medikamente – eine weitere Eskalation verhindern. Es ist wie bei einem Schwerkranken, der nach langen Wochen des Siechtums das erste Mal wieder mit Appetit isst: Man überschätzt euphorisiert den eigenen Status. Das mag für einen Heilungsprozess durchaus hilfreich sein. Die Diagnose einer finanziell aus dem Lot geratenen Welt jedoch fällt ernüchternd aus.
Beispiele? Die mit 16 400 Milliarden Dollar verschuldeten USA – wichtigster Außenhandelspartner Bayerns – stehen schon bald vor dramatischen Entscheidungen. Wenn es Präsident Barack Obama nicht schafft, die Republikaner auf seine Linie zu bringen, dann gehen in Washington die Lichter aus: Denn rechnerisch ist die US-Regierung Ende März pleite. Die reichste Volkswirtschaft der Erde müsste dann etwa Nationalparks schließen.
Doch man muss nicht über den Atlantik schielen, um enorme Gefahrenherde zu finden. Fakt ist: Die Eurozone ist ein Gemischtwarenladen mit all zu vielen Ladenhütern – und das wird sich so schnell nicht ändern. Selbst ein Mini-Land wie Zypern könne einen Finanz-Tsunami auslösen, warnt die EZB.
Seien wir also froh über ein bisschen weniger Krisengerede. Doch wir sollten nicht übermütig werden: Die Krise ist nach wie vor unter uns.