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Leitartikel: Übertriebene Furcht vor Brexit
byl
 |  aktualisiert: 08.05.2015 19:47 Uhr

David Cameron ließ sich feiern wie der große Gewinner. Warum auch nicht? Die Konservativen siegten bei der Parlamentswahl. Sie straften die Meinungsforscher Lügen, indem sie eine absolute Mehrheit erreichten, und der künftige Premierminister bleibt der alte. Warum also nicht? Weil Cameron anstatt gestärkt vielmehr angeschlagen aus dieser Abstimmung hervorgehen wird. Zu mächtig sind die Stimmen einiger lautstarker Hinterbänkler in den eigenen Parteireihen, die Cameron von nun an noch massiver auf den Füßen stehen. Auf sie wird er jedoch bei einer so hauchdünnen Mehrheit mehr denn je angewiesen sein.

Sein Erfolg als Amtschef hängt auch davon ab, wie er die parteiinterne EU-Frage löst, wie es ihm gelingt, dass alle Konservativen an einem Strang ziehen. Die Herausforderung könnte größer kaum sein. Die zur Rebellion aufgelegten Tory-Europaskeptiker fordern vor allem eins: eine harte Hand gegenüber Brüssel oder gar den Austritt aus der Union. Um sie zu beruhigen und den Aufstieg der rechtspopulistischen Unabhängigkeitspartei Ukip zu bremsen, versprach Cameron, die Briten über einen Verbleib in der EU abstimmen zu lassen. Eigentlich war das Referendum für 2017 vorgesehen, aber daran glaubt kaum jemand. Viel wahrscheinlicher gilt es, dass der Volksentscheid bereits für das kommende Jahr angesetzt wird.

Jahrelange Instabilität und Unsicherheit bezüglich der EU-Mitgliedschaft würden den zarten Wirtschaftsaufschwung, der den Konservativen letztlich den Wahlerfolg beschert hat, eintrüben und Investoren von der Insel vertreiben. Das weiß Cameron und er hat die mehrheitlich EU-freundliche Unternehmenswelt hinter sich, die die Werbetrommel für Brüssel bereits rührt.

Dass nun Europa ob eines drohenden Brexits aufschreit, ist eine übertriebene Reaktion. Und zu kurzfristig gedacht. Mit dem neuen alten Premier herrscht in Großbritannien der proeuropäischste Politiker, den man in den konservativen Reihen finden kann. Auch wenn er in Brüssel immer wieder rumpelt und röhrt, darf Cameron darauf hoffen, dass ihm die EU in einigen Punkten entgegenkommen wird, etwa darin, dass Einwanderer ohne Anspruch auf Sozialhilfe bleiben, solange sie keinen Job vorweisen können. Den latent an Europa desinteressierten Briten könnte er das voraussichtlich als Erfolg verkaufen.

Aufgrund der nicht enden wollenden Debatten in dem traditionell EU-kritischen Land ist ein Volksentscheid unausweichlich, je früher, desto besser. Wäre der am Freitag zurückgetretene Labour-Chef Ed Miliband in die Downing Street eingezogen, hätten sich die dunklen Schatten über Europa auf lange Sicht noch verlängert, auch wenn sich der Sozialdemokrat gegen ein Referendum wehrte. Die konservativen Kräfte im Parlament sind zu stark, sie hätten unaufhörlich Druck aufgebaut und das Land weiter gegen Brüssel aufgehetzt. Mit einem Volksentscheid hat die Insel die Chance, das leidliche Thema endlich ad acta zu legen. Aufgrund der florierenden Wirtschaft befürwortet laut Umfragen derzeit eine Mehrheit der Briten den Verbleib in der EU. Diesen leichten Schwung gilt es mitzunehmen.

 
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