Mehr als sieben Prozent in Hamburg, gut sechs Prozent in Bremen. Dafür, dass die FDP nach dem Debakel bei der Bundestagswahl totgesagt worden war, macht sie bei ihrem Parteitag gerade einen ziemlich lebendigen Eindruck. An den beiden telegenen Spitzenkandidatinnen, mit denen die Liberalen in die Wahlkämpfe im hohen Norden gezogen sind, liegt das aber allenfalls zu einem kleinen Teil. Auch die neue Bescheidenheit, die Parteichef Christian Lindner predigt, macht die FDP nicht automatisch sympathischer. Erfolg hat sie im Moment vor allem, weil Union und SPD ihr den Gefallen tun, das Land zu sedieren, anstatt es zu regieren.
In Hamburg war es die absolute Mehrheit der Sozialdemokraten, die den Senat von Olaf Scholz träge und die FDP wieder zu einem politischen Faktor gemacht hat, in Bremen war es der Stillstand in der Bildungspolitik. Und im Bund liefert Finanzminister Wolfgang Schäuble mit seiner läppischen Steuerentlastung von 1,5 Milliarden Euro gerade die nächste Steilvorlage. Hier wie dort steigen die Werte der Liberalen nicht um ihrer selbst willen, sondern aus dem diffusen Gefühl heraus, dass sich etwas ändern muss, dass große Mehrheiten Parteien bequem machen und dass die Menschen vom Aufschwung, den sie mit erwirtschaftet haben, mehr haben sollen als zehn oder 15 Euro plus im Monat.
Gut zwei Jahre vor der Bundestagswahl ist die FDP zurück in der Arena – was nicht zuletzt der Verdienst ihres Vorsitzenden ist. Er hat der Versuchung widerstanden, seine Partei in der außerparlamentarischen Opposition in die populistische Ecke zu führen, als eine Art AfD light.
Bundesweit kommen die Freien Demokraten bisher zwar in kaum einer Umfrage über fünf Prozent, wenn sich der Trend aus Hamburg und Bremen jedoch fortsetzt, hat die Union im Herbst 2017 womöglich die Qual der Wahl: Die Große Koalition fortsetzen? Schwarz-Grün wagen? Oder sich wieder auf die FDP einlassen, von der Angela Merkel sagt, sie sei so etwas wie der natürliche Partner. Die Alternative dazu, ein Dreier mit Sozialdemokraten und Grünen, hat für Lindner allenfalls strategischen Reiz. Die meisten Liberalen können sich eine Ampelkoalition so wenig vorstellen wie Guido Westerwelle sich einst einen Urlaub mit Joschka Fischer.
Die Chancen, im Bund bald wieder mitzuregieren, stehen für die Liberalen so schlecht nicht. 40 Prozent für die Union, dazu ein FDP-Ergebnis wie jetzt in Hamburg oder Bremen – das könnte reichen. Darauf ist die FDP allerdings nicht wirklich vorbereitet. Wer sollte denn im Falle eines Falles Minister in Berlin werden, wer Fraktionsvorsitzender? Eine Partei, die an die Macht will, braucht professionelle Politiker mit Stehvermögen und einer gewissen Härte im Nehmen – das bringen heute allenfalls Christian Lindner und sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki mit. Hinter den beiden klafft eine Lücke, die auch mit Nachwuchskräften wie der Hamburgerin Katja Suding so leicht nicht zu schließen sein wird.
So umstritten Dirk Niebel, Birgit Homburger oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Ende gewesen waren, so unausweichlich der Bruch mit der Generation Westerwelle schien: Von diesem Aderlass hat die FDP sich bis heute nicht erholt. Sie hat eine Idee davon, was sich in Deutschland ändern muss – aber (noch) nicht das Personal, um diese Ideen umzusetzen.