Jens Spahn nervt. Und zwar keineswegs nur jene, die mit der CDU nichts am Hut haben. Auch im Unionslager mehren sich die kritischen Stimmen über den omnipräsenten Selbstdarsteller. Denn seit Wochen lässt der konservative Merkel-Kritiker kaum eine Gelegenheit aus, um nach Herzenslust zu polarisieren, zu provozieren und auszugrenzen. Mal sorgt er sich pauschal um „Recht und Ordnung“ im Land. Mal müssen sich Hartz-IV-Empfänger anhören, dass sie alles haben, was man so zum Leben braucht. Mal kritisiert er das Twitter-Verhalten von Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und mal nimmt er die umstrittene Flüchtlingspolitik des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán in Schutz. Nur zur Erinnerung: Der umtriebige Mann aus Ahaus-Ottenstein ist eigentlich Bundesgesundheitsminister.
„Die innere Sicherheit verbessert man nicht mit flotten Sprüchen“
Kein Wunder also, dass die Empörungswelle nicht abebbt. Die designierte SPD-Vorsitzende Andrea Nahles signalisierte am Wochenende in Richtung Bundeskanzlerin, so könne „es nicht weitergehen“. Spahn solle sich „um seinen eigentlichen Job kümmern“. Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link warf dem eloquenten Haudrauf „Ahnungslosigkeit“ und „Pauschalurteile“ vor. „Nicht nachvollziehbar“ ist es nach Auffassung von Polizeigewerkschaftschef (GdP) Oliver Malchow, „wenn Bundespolitiker eine Schieflage von Recht und Ordnung anprangern, wo sie es eigentlich mit in der Hand haben, diese Missstände seit Jahren zu verändern“.
Selbst Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) reagierte angesäuert auf den verbalen Law-and-Order-Ausflug seines Parteikollegen: „Die innere Sicherheit verbessert man nicht mit Interviews und flotten Sprüchen, sondern indem man die Dinge anpackt und ändert.“
Jens Spahn wird das dröhnende Echo auf seine Äußerungen gewiss nicht grämen. Im Gegenteil. Er bekommt damit genau jene Aufmerksamkeit, nach der er seit seinem Einstieg in die Bundespolitik im Jahr 2002 geradezu lechzt. Folgerichtig gehörte der 37-Jährige nie zu den Leisen in seiner Partei. Große Ziele erreichen schließlich nur jene, die nicht kleckern, sondern klotzen. Und wer als Berufswunsch in der Abi-Zeitung „Kanzler“ angibt, der hat wahrlich Großes vor.
Fleißige Sachpolitik ist da eher hinderlich. Viel wichtiger ist Auffallen um jeden Preis. Das mühsame Ringen um politischen Konsens ist für einen forschen Karrieristen wie Spahn gleichbedeutend mit Stagnation. Sein Ziel indes war es von Anfang an, „nach vorne zu robben“. Das ist ihm bislang recht gut mit einem programmatischen Schwerpunkt gelungen, der schlicht und einfach lautet: Jens Spahn. Damit sammelt man zwar nicht unbedingt Sympathiepunkte, aber das dürfte dem Jungstar der konservativen Unionschristen herzlich egal sein. Hauptsache, er kommt voran.
Die „Methode Spahn“ funktioniert allerdings nur deshalb so gut, weil Politik und Medien sein Spiel mitspielen. Kaum hat er seine politische Provokationsschatulle geöffnet, läuft die öffentliche Empörungsmaschinerie reflexartig heiß. Doch statt sich permanent zu entrüsten, wäre es klüger, seine Aussagen, sofern sie nicht der Realität entsprechen, durch Fakten zu widerlegen.
Die Kriminalität in Deutschland hat seit 2002 abgenommen
So nimmt die Kriminalität in Deutschland im Gegensatz zu Spahns Wahrnehmung ab. Den Rückgang beziffert die Kriminalstatistik mit 2,1 Prozent seit 2002. Häufigstes Delikt ist nach Angaben der Kriminologin Rita Steffes-enn vom Zentrum für Kriminologie und Polizeiforschung übrigens Betrug bei der Steuererklärung...
Auch wenn er nervt, eines kann man Jens Spahn zugute halten: Mit seinen Provokationen fördert er im besten Fall Diskussionen über wichtige Politikfelder – für eine lebendige Demokratie ist das gut.