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Leitartikel: Sorgt der Staat noch für Sicherheit?
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 28.06.2016 03:36 Uhr

Polizist werden? Kein Problem in Sachsen. Es reicht, deutscher Staatsbürger zu sein, einen Haupt- oder Realschulabschluss mit abgeschlossener Lehre sowie einen Führerschein zu haben, nicht älter als 33 Jahre und nicht vorbestraft zu sein sowie keine Piercings oder Tattoos „im sichtbaren Bereich“ zu tragen. Nach drei Monaten Ausbildung kann man dann als Wachpolizist eingesetzt werden; die Beamten, die Uniform und Waffe tragen, schützen unter anderem Asylbewerberheime, aber auch den Landtag und die Synagoge in Dresden.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) ist voll des Lobes. Die Wachpolizei sei ein „wichtiger Baustein in unserer Sicherheitsarchitektur“, sagt er – und denkt darüber nach, die Einsatzmöglichkeiten zu erweitern. Wie Bundesinnenminister Thomas de Maiziere. Der schlägt vor, die Wachpolizisten im Kampf gegen die stark gestiegene Einbruchskriminalität einzusetzen. Sie könnten in Problemvierteln auf Streife gehen und einschreiten.

Doch kaum hatte de Maiziere seinen Vorschlag gemacht, hagelte es Kritik von allen Seiten. Nicht nur die Oppositionsparteien, auch der Koalitionspartner SPD und die Gewerkschaft der Polizei wiesen seinen Vorschlag zurück. Man wolle keine „Billigpolizei“, hieß es unisono, der Vorschlag sei „unverantwortlich“. Nur die Innenexperten von CDU und CSU stellten sich schützend hinter ihren Minister, der – nicht zum ersten Mal – mit unbedachten Äußerungen für Furore sorgte und derzeit noch mehr im Sturm steht, weil er mit nicht belegbaren Zahlen über angebliche Gefälligkeitsatteste von Ärzten für Flüchtlinge, die abgeschoben werden sollen, hantierte. Die Grünen werfen ihm gar vor, gelogen zu haben.

Trotz der Kritik hält de Maiziere an seinem Vorschlag fest. Gleichwohl wirkt es reichlich seltsam, dass der gleiche Staat, der jahrelang bei der äußeren wie bei der inneren Sicherheit massiv sparte und die Zahl der Soldaten wie der Polizisten erheblich reduzierte, nun die nicht mehr zu kaschierenden Löcher durch das Anwerben von schlecht ausgebildeten und nicht besonders gut bezahlten Hilfspolizisten zu stopfen versucht. Seit dem Jahr 2000 sank die Zahl der Polizisten um rund 17 000, unter dem Druck der Schuldenbremse und der Haushaltskonsolidierung nahm die Präsenz der Polizei in der Fläche ab.

Gleichzeitig wurden den Sicherheitskräften aber durch eine Vielzahl neuer Gesetze weitere Aufgaben auferlegt.

Die Sicherstellung der äußeren und inneren Sicherheit ist eine Kernaufgabe des Staates. Der Schutz der Bürger steht an oberster Stelle und rechtfertigt, dass er Steuern eintreibt und in die Freiheitsrechte eingreift. Versagt der Staat, hat er ein Legitimationsproblem. Bund und Länder haben dies erkannt und sind wieder dabei, Polizisten einzustellen. Wachpolizisten mögen eine sinnvolle Ergänzung sein, wenn sie der Entlastung der regulären Beamten dienen. Aber zwölf Wochen Mini-Ausbildung reichen nicht aus zur Vorbereitung auf einen komplexen Dienst. Nicht umsonst dauert die reguläre Ausbildung drei Jahre.

Mehr Polizisten sorgen für mehr Sicherheit. Aber nicht, wenn Schmalspurpolizisten aus Mangel an Kenntnissen selber zum Sicherheitsrisiko werden, weil sie unverhältnismäßig reagieren oder in komplizierten Fällen überfordert sind und zu schnell zur Waffe greifen. Nur qualifizierte Polizisten sind gute Polizisten. Das kostet. Und doch dürfen diese hohen Standards nicht aufgeweicht werden.

 
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