Manuela Schwesig ist eine junge, ehrgeizige Frau. Eine Frau, für die Kind und Karriere kein Widerspruch sind, sondern allenfalls eine logistische Herausforderung. Wie kaum eine Oppositionspolitikerin sonst hat die stellvertretende SPD-Vorsitzende deshalb gegen das Betreuungsgeld der Union gekämpft, die vermeintliche Herdprämie, mit der der Staat ein überkommenes Rollenbild zementiert, anstatt noch mehr in neue Kita-Plätze zu investieren. Kaum zur Familienministerin aufgestiegen, führt die 39-Jährige nun allerdings ihre eigene Argumentation ad absurdum: Sie will Eltern dafür bezahlen, dass sie weniger arbeiten.
Genau das nämlich tut eine Regierung, die junge Paare mit Steuervorteilen oder Zuschüssen belohnt, wenn sie anstatt 38 oder 40 Stunden nur noch 30 oder 32 Stunden pro Woche arbeiten. Nach der harschen Intervention der Kanzlerin ist der Vorschlag für diese Wahlperiode zwar vom Tisch – der bevormundende Ton jedoch, den die Ministerin anschlägt, dürfte in der Koalition noch für so manchen Hauskrach gut sein. Eine gute Familienpolitik zeichnet sich für sie vor allem dadurch aus, dass möglichst viele Eltern nach der Geburt eines Kindes möglichst schnell an ihre Arbeitsplätze zurückkehren – und das möglichst wieder in Vollzeit. Und wenn das einer Mutter, einem Vater oder allen beiden zu viel wird, springt praktischerweise der Staat ein, indem er aus einer 32-Stunden-Stelle mit Steuergeld de facto einen Vollzeitjob macht.
So populär der Vorschlag klingen mag, so verräterisch ist das Denken dahinter. Eine Familie muss selbst entscheiden können, wie sie leben will, wer wie lange zu Hause bleibt, ob Eltern mithilfe des Betreuungsgeldes eine Tagesmutter engagieren oder ihre Kinder lieber in die nächste Kita schicken. Dazu soll die Politik die entsprechenden Angebote schaffen – und das tut sie auch, vom Elterngeld, das die Große Koalition deutlich flexibler gestalten will, über eine ausreichende Zahl an Krippenplätzen bis zur Ganztagsschule tief in der Provinz.
In dem Moment jedoch, in dem eine Regierung ein bestimmtes Lebensmodell bevorzugt, zum Beispiel das der Doppelverdiener-Eltern, mischt sie sich in Dinge ein, die sie nichts angehen. Mit einer gesetzlich verordneten Arbeitszeitverkürzung ohne größere Gehaltseinbußen wäre diese Grenze in jedem Fall überschritten. Um sein Ideal einer sozialdemokratischen Familienpolitik durchzusetzen, lässt ein alles regelnder, sich ins Privateste einmischender Staat den Familien nicht mehr die freie Wahl, sondern schafft auf Kosten der Wirtschaft und der Steuerzahler Angebote, die derart lukrativ sind, dass man sie kaum noch ausschlagen kann.
In Wirklichkeit sind viele Betriebe (und demnächst auch die Bundeswehr) schon viel weiter als die neue Ministerin. Sie wissen, dass junge, gut ausgebildete Mitarbeiter ein knappes Gut sind, und bieten ihnen schon aus Eigeninteresse immer flexiblere Arbeitszeitmodelle an. Jobsharing, Teilzeit, Heimarbeit, Betriebskindergärten: Den meisten Eltern, die Kind und Beruf heute einigermaßen stressfrei miteinander in Einklang bringen wollen, ist mit solchen Angeboten mehr geholfen als mit dem Schwesig'schen Vollzeitdenken. Sie wollen das eine tun, ohne das andere lassen zu müssen: ausreichend Zeit für ihre Kinder haben und Erfüllung im Beruf. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis sie ihre Arbeitgeber dafür als Partner gewonnen haben. Nun ist ausgerechnet die Familienministerin dabei, sich die Wirtschaft zum Gegner zu machen.