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Leitartikel: Sanktionen allein zwingen Kim nicht in die Knie
Von Winfried Züfle red.politik@mainpost.de
 |  aktualisiert: 24.05.2022 09:24 Uhr

Wladimir Putin hat Erfahrung mit Sanktionen. Oder, besser gesagt, mit dem Aussitzen von Sanktionen. Der russische Präsident zeigt derzeit selbst, wie wenig ihn die wirtschaftlichen Einschränkungen beeindrucken, die der Westen wegen der Annexion der Krim und der Unterstützung für die Separatisten in der Ostukraine verhängt hat. Deswegen ist Putin als Fachmann ernst zu nehmen, wenn er jetzt sagt, Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea seien „nutzlos und ineffektiv“.

Im Westen wird seit den erneuten Raketenstarts und vor allem seit dem unterirdischen Test vom Sonntag mit einer gewaltigen Atombombe, bei der es sich angeblich um eine Wasserstoffbombe gehandelt hat, nach weiteren Sanktionen gegen Nordkoreas Diktator Kim Jong Un gerufen. Ein Stopp der Erdöllieferungen aus China soll das Regime in Pjöngjang zum Einlenken zwingen.

Aber in autoritären Staaten funktioniert eine solche Embargo-Politik nicht, weil das Volk trotz zunehmender Not nicht aufzubegehren wagt. Putins Russland ist ein Beispiel dafür. Auch die Sanktionen gegen das Apartheid-Regime in Südafrika zeigten viele Jahre keine Wirkung. Und die stalinistische Diktatur der Kim-Familie kann, wie die Geschichte lehrt, den Nordkoreanern nahezu alles zumuten, sogar dass Menschen im Land verhungern.

Der Despot bettelt um Sicherheit

Doch selbst wenn mit Sanktionen allein kurzfristig keine Wirkung zu erzielen ist, liefert dies kein Argument für eine militärische Lösung. Es zeugt sogar von einer falschen Analyse der Lage, wenn die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley meint, Kim Jong Un „bettelt um Krieg“. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Der sich als wilder Mann aufführende Despot bettelt um Sicherheit. Um eine Existenzgarantie für die Herrschaft seines Clans in dem armen und rückständigen Land, das dem prosperierenden, von den USA unterstützten Bruderstaat Südkorea in jeder Hinsicht hoffnungslos unterlegen ist – außer dass Pjöngjang über Atomwaffen verfügt, Seoul aber nicht.

Leider gelingt es US-Präsident Donald Trump, der kaum Erfahrung als Politiker besitzt, nicht, angesichts der Provokationen Kims gelassen zu bleiben. In seinen zahllosen Internet-Botschaften gibt er sich in dieser wichtigen außenpolitischen Frage ebenso emotional und kampfeslustig, wie er sonst jede Nebensächlichkeit kommentiert.

Militärische Gewalt mit zu hohen Risiken verbunden

Solange Trump aber von Krieg nur redet, während seine Minister und Militärs professionell agieren, scheint das Risiko noch beherrschbar zu sein. Dennoch muss der Präsident auch selbst die Überzeugung gewinnen, dass in diesem Konflikt der Einsatz militärischer Gewalt mit zu hohen Risiken verbunden ist – damit es nicht irgendwann doch noch „aus Versehen“ zur Eskalation kommt. Denn Kim oder seine Militärs könnten im Falle eines US-Angriffs wohl immer noch mit nuklearem Material eine Katastrophe in Südkorea oder einem anderen Land verursachen.

Eine Lösung sollte nach dem Vorbild der Iran-Verhandlungen gesucht werden: ernsthafte jahrelange Gespräche bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Sanktions-Drucks. Für den Diktator Kim Jong Un scheint es extrem wichtig zu sein, ernst genommen und als Gesprächspartner auf Augenhöhe behandelt zu werden. Wenn es „nur“ darum geht, sollten westliche Politiker auch einmal über ihren Schatten springen. Was ist eine solche Geste im Vergleich zu einem Krieg, bei dem immer Unschuldige ihr Leben verlieren?!

Die kriegerische Tonlage, die Kim anstimmt, darf jedenfalls keine Nachahmer finden. Auch sollten die militärischen Möglichkeiten des Diktators weder über- noch unterschätzt werden.

 
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