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Leitartikel: Samariter und Selbstanzeiger
Von MANFRED SCHWEIDLER manfred.schweidler@mainpost.de
 |  aktualisiert: 13.01.2016 10:48 Uhr

Prominenz ist ein zweischneidiges Schwert: In der modernen Medienwelt gilt die Abwandlung eines alten Bibelwortes: Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, kommt durch die Öffentlichkeit um.

Wer weiß das besser als Deutschlands berühmtester Steuerhinterzieher? Die Medien feierten ihn, wenn er von Anstand redete. Damit machte er sich Feinde, aber das war ihm egal: „Neid muss man sich verdienen“, war sein Motto. Das kehrte sich gegen ihn, als der Verdacht auf Steuerhinterziehung keimte. Zwar ist das Steuergeheimnis ein hohes Gut. Aber bei Promis – vor allem, wenn sie belehrend den Zeigefinger heben – gibt es hilfreiche Hinweise an die Medien. Dann warten bei der Razzia schon Reporter am Gartentor.

Eine Million Euro hat Deutschlands bekanntester Steuersünder hinterzogen. Klaus Zumwinkel gestand das und erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. „Er hat seine Vorbildfunktion nicht erfüllt“, sagte der Richter seinerzeit in der lesenswerten Urteilsbegründung über den ehemaligen Postchef. „Insofern ist seine Lebensleistung deutlich geschmälert.“

Wird man über Uli Hoeneß bald Ähnliches sagen? Trotz Unschuldsvermutung – die Selbstanzeige und die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft sind nicht wegzudiskutieren. So kommt „Mister Bayern München“ zu zweifelhaftem Ruhm: Er könnte Zumwinkel den Meistertitel als Deutschlands bekanntester Steuersünder streitig machen.

Hoeneß hat seine Prominenz selbst- und machtbewusst eingesetzt. Wenn der Präsident des erfolgreichsten Fußballvereins Deutschlands die Stimme hebt, hat das Gewicht. Wenn er Fehlentwicklungen im internationalen Fußball anspricht, gibt das dem Thema Wucht.

Hoeneß ist der unumstrittene Leitwolf der Liga, der etwa die Kokain-Affäre um den Trainer Christoph Daum ins Rollen brachte. Er ist auch Unternehmer mit sozialer Verantwortung, Samariter von der Säbener Straße, der gefallenen Freunden wie Gerd Müller hilft. Der keine Pressemitteilungen verschickt, wenn er 100 000 Mark aus seinem Privatvermögen für die Kosovo-Hilfe spendet. Darauf angesprochen, reagiert er sauer: „Meine Angelegenheit. Da lasse ich mich nicht bei der Scheckübergabe fotografieren.“

Uli Hoeneß war bis zum Bekanntwerden des Steuerfalles nicht für jeden, aber für viele ein Vorbild – in Zeiten, in denen wir Vorbilder brauchen. „Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich zahle volle Steuern“, sagte er 2005. Nun wird er daran gemessen – und wirkt wie ein Heuchler.

Als der Ablasshandel um Steuerhinterzieher zwischen Deutschland und der Schweiz scheiterte, zog Hoeneß die Notbremse: Per Selbstanzeige wollte er dem Spektakel eines öffentlichen Prozesses entgehen. Doch das Ziel hat er verfehlt.

Es ist tragisch (und dank mancher Neider vielleicht kein Zufall), dass die Nachricht in dem Moment kommt, in dem sein Verein vor dem Gipfel des Erfolges steht. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen bestätigt und sein Haus durchsucht. Das sind Hinweise darauf, dass er mit seiner Beichte zu lange gewartet hat. Nun droht Uli Hoeneß gar, im Wahlkampf als Buhmann zum Spielball der Politik zu werden.

Unter den erwachten Augen der Öffentlichkeit ist Mauschelei unwahrscheinlich, eine Blöße kann sich gerade jetzt die Münchner Justiz nicht erlauben. Ministerpräsident Horst Seehofer verspricht, Hoeneß werde behandelt wie jeder normale Bürger. Fehlte nur noch, dass er aus der Urteilsbegründung gegen Zumwinkel zitiert hätte.

 
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