Am 16. November ist „Internationaler Tag der Toleranz“. Das klingt zunächst einmal gut, sogar ein bisschen hoffnungsvoll. Doch was heißt Toleranz eigentlich? Das zugrunde liegende Verb tolerieren ist aus dem lateinischen „tolerare“ (erdulden, ertragen) entlehnt. Das Adjektiv tolerant in der Bedeutung „duldsam, nachsichtig, großzügig, weitherzig“ ist seit der Zeit der Aufklärung belegt, ebenso die Gegenbildung intolerant, als „unduldsam, keine andere Meinung oder Weltanschauung gelten lassen als die eigene“.
Den Satz „das toleriere ich“ nutzen wir selbstverständlich und assoziieren damit in aller Regel, dem Gegenüber etwas Positives vermittelt zu haben. Doch was als positiver Begriff in unserer Gesellschaft genutzt wird, hat auch eine dunkle Seite. Nur, wer macht sich Gedanken darüber? Es ist schnell und gedankenlos dahergesagt: Wir tolerieren Andersgläubige, Andersdenkende und Fremde(s). Aber tun wir es auch wirklich?
Viele der Flüchtlinge, die gerade in unser Land strömen, sehen das mit Sicherheit anders. Wir erdulden sie, ertragen sie. Schaffen Notunterkünfte – im wahrsten Sinne des Wortes. Bei uns bleiben sollen sie jedenfalls nicht. Wir nehmen sie für einige Zeit auf und tun im besten Fall noch so, als seien sie willkommen. Mittels komplizierter Asylanträge und einem Dschungel aus Bürokratismus werden ihnen Steine in den Weg gelegt. Ja, wir dulden sie – aber ihre Weltanschauung passt uns oftmals nicht.
Toleranz – was also bedeutet das? Man stelle sich vor, Ihnen sagt jemand „Ich toleriere deinen Partner“. Dann ist das doch nichts anderes, als eine verbale Ohrfeige. Der Partner ist unerwünscht, aber hingenommen. Die eigentlich positive, wünschenswerte Toleranz ist negativ besetzt. Wie negativ besetzt, das zeigt derzeit auch eine Debatte in den sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook.
Die ARD hat zum Internationalen Tag der Toleranz eine Themenwoche konzipiert. Mit provokanten Werbeplakaten, die Gegensätze wie „Normal oder Nicht normal“ (Bild: ein schwules Pärchen) und „Belastung oder Bereicherung“ (Bild: ein Farbiger) zeigen, wirbt der Fernsehsender für Toleranz und sorgt für Ärger im Internet. Der Tenor: Die Sendeanstalt vermittle ein rückständiges Menschenbild. In der Diskussion wird Akzeptanz statt Toleranz gefordert.
Doch macht das etwas besser? Denn akzeptieren heißt, dass man etwas bejaht, gut findet, befürwortet. Das lässt sich weder gesellschaftlich erzwingen noch hat man einen rechtlichen Anspruch darauf. Niemand muss den Alkoholkonsum eines anderen akzeptieren, er hat ihn aber zu tolerieren. Niemand muss es gut finden, dass manche erwachsene Menschen ihre sexuelle Erfüllung in einem Swinger-Klub suchen, hinnehmen muss er es trotzdem. Niemand muss Risikosportarten befürworten, die Ausübung durch andere muss man aber erdulden.
Wie also wäre es mit einem „Tag des Respektes“? Denn jeder von uns sollte respektieren, dass es einen anderen Glauben gibt als den, den man selbst praktiziert. Jeder von uns sollte respektieren, dass es Menschen gibt, die eine andere Lebensform wählen. Respekt also statt Toleranz und Akzeptanz. Respekt ist das Mindeste, was wir vor jedem Menschen haben sollten.
Respekt hat jeder verdient. Er ist ein Grundrecht.