Waffenruhe heißt nicht Konfliktlösung. Das ist an zahlreichen Brennpunkten des Weltgeschehens zu beobachten. Etwa in der Ukraine. Dort sollten vor gut einem Jahr aufgrund des Minsk-Abkommens die Feindseligkeiten zwischen den von Russland unterstützten Separatisten und den Regierungstruppen eingestellt werden. Doch das sinnlose Sterben hat nicht aufgehört. Alleine zwischen November und Februar sind nach UN-Angaben durch wahllosen Beschuss und Landminen mindestens 78 Menschen getötet oder verletzt worden. Damit ist die Gewalt im Vergleich zur Zeit vor dem Abkommen zwar deutlich zurückgegangen. Aber jedes weitere Opfer ist eines zu viel.
Unbeschwerter Jubel über den Waffenstillstand in Syrien ist daher auch nicht angebracht. Vor knapp zwei Wochen haben ihn die USA und Russland im Auftrag der internationalen Syrien-Kontaktgruppe vereinbart. Die gute Nachricht ist: Erstmals seit Beginn des Bürgerkriegs vor fünf Jahren halten sich die kämpfenden Gruppen weitgehend an die Vereinbarung.
Die schlechte Nachricht ist: Gelegentlich wird die Waffenruhe gebrochen – und der Krieg mit den terroristischen Organisationen Islamischer Staat und Al-Nusra-Front, die von dem Vertrag ausgenommen sind, geht weiter und fordert neue Opfer.
Aus diesen Gründen ist eine Waffenruhe für ganz Syrien auf absehbare Zeit nicht erreichbar. Die von den Terrorgruppen beherrschten Gebiete bleiben auch künftig von einem möglichen Frieden weit entfernt. Lediglich die Menschen in den Bereichen, in denen das Assad-Regime oder die gemäßigte Opposition herrscht, konnten zuletzt aufatmen. Dauerhaft werden sie aber nur dann ohne Furcht vor militärischer Gewalt leben können, wenn Friedensgespräche zu einem neuen Aufbruch wenigstens im größten Teil Syriens führen.
Dazu will der UN-Sondervermittler Staffan de Mistura vom kommenden Montag an in Genf die Parteien an einen Tisch bringen. Erfreulicherweise hat auch das Hohe Verhandlungskomitee der Regimegegner seine Teilnahme zugesagt. Die Vertreter Assads hatten schon länger – wohl auch auf russischen Druck hin – ihre Bereitschaft bekundet. Aber noch ist offen, ob sich Kompromisse in Sachen Übergangsregierung, Verfassung und Neuwahlen finden lassen.
De Mistura sagt jedenfalls zu Recht: „Eine Lösung ist nur der politische Übergang in Syrien.“ Anders ausgedrückt: Machthaber Baschar al-Assad, an dessen Händen so viel Blut klebt, muss spätestens nach einer kurzen Übergangsfrist das Feld räumen.
Assad und sein Sicherheitsapparat waren schuld, dass die anfangs friedlichen Proteste der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit brutal niedergeschlagen wurden und die Opposition in eine Militarisierung geradezu hineingetrieben wurde. Folge war, dass sunnitische Regime wie Saudi-Arabien und Katar Waffenhilfe leisteten und Söldner schickten, und auch die USA Unterstützung anboten. Assad suchte Hilfe beim Iran, bei der libanesischen Hisbollah-Miliz und bei Russland. Aus dem Bürgerkrieg wurde so ein Stellvertreterkrieg, in dem nach UN-Angaben mehr als 250 000 Menschen gestorben sind.
Es ist allerhöchste Zeit für eine Friedenslösung. Und im Gegensatz zu allen Bemühungen früherer UN-Vermittler gibt es jetzt erstmals ein Fundament: Die Verhandlungen können auf einem zumindest halbwegs haltbaren Waffenstillstand aufbauen.