Einem prominenten Steuerhinterzieher aus dem Raum Würzburg rückten 2012 Finanzfahnder auf die Bude. Das war bitter für den Mann, der glaubte, zahlen müssten nur Dümmere. Man attestierte ihm später vor Gericht, er sei auf dem Feld der illegalen Steuervermeidung unglaublich kreativ gewesen. „Überall, wo wir nachgeschaut haben, sind wir auch fündig geworden,“ sagte ein Steuerfahnder im Zeugenstand.
Ermittler sind ja auch nur Menschen, deshalb spielten sie dem Steuersünder einen Streich: Sie riefen gut hörbar bei der Staatsanwaltschaft an und meldeten: „Leider blieb unsere Durchsuchung nicht geheim. Draußen wartet ein Reporter, um uns beim Abtransport der Unterlagen zu fotografieren!“ Das war geflunkert. Aber der Verdächtige war wie vom Donner gerührt – und viel kooperativer, erzählten Ermittler später schmunzelnd.
Man muss das nicht komisch finden – es zeigt vielmehr, wie bewusst die Drohung eingesetzt wird, Verdächtige an den Pranger zu stellen. Als 2008 Ex-Postchef Klaus Zumwinkel abgeführt wurde, war nicht zufällig ein Kamerateam zur Stelle. Alice Schwarzer gab eine gültige Selbstanzeige ab – aber ein Insider brach das Steuergeheimnis. Wenn der Staat dubiose CDs mit geklauten Steuerdaten aus der Schweiz oder Liechtenstein kauft, dauert es nicht lange, bis der Fiskus dank hilfreich lancierter Schlagzeilen darauf warten kann, wie ganz von allein die Zahl der Selbstanzeigen wächst.
Die Medien geraten so mehr und mehr in die Verlegenheit, nicht länger neutrale Beobachter zu sein, sondern bewusst eingesetzte Helfer für ein zweifelhaftes Szenario. Doch das Verständnis hält sich auch dort in Grenzen für Steuerkriminelle, die ganz selbstverständlich auf unseren Straßen fahren, unsere Krankenhäuser benutzen und erwarten, dass unsere Polizei für ihre Sicherheit sorgt – aber zahlen sollen die dummen anderen.
Die Drohung mit dem Neid-und-Häme-Pranger ist beängstigend effektiv. Das zeigt nicht nur die steigende Zahl von Selbstanzeigen, sondern auch der Fall Uli Hoeneß: Aus Furcht vor einem Artikel pfuschte er übereilt eine unvollständige Selbstanzeige zusammen, die ihn erst richtig in die Bredouille brachte.
Drei Lehren sollten Steuerhinterzieher daraus ziehen: 1.) Keiner sollte mehr auf den Satz vertrauen: „Die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen.“ 2.) Auch die alte Schnecken-Nummer „Kopf einziehen und warten, bis der Sturm vorübergezogen ist“ funktioniert nicht mehr. Wer das riskiert, verliert. 3.) Nichts bleibt geheim, nicht einmal das Steuergeheimnis.
Selbst die Schweiz – lange Hort verheimlichter Gelder – ist es leid, als Hehler der Steuerstehler zu gelten. Der Widerstand der Eidgenossen schmilzt erkennbar, bei der Suche nach Steuerflüchtigen zu helfen. Hierzulande wächst der Druck, die Regeln für strafbefreiende Selbstanzeigen zu verschärfen. Überdies wird es immer komplizierter, sie perfekt zu formulieren. Die Möglichkeiten der Fahnder, über Grenzen hinweg Transparenz zu schaffen, wachsen: Amtshilfe, bessere Auswertung von Steuer-CDs und das neue Instrument der „Gruppenanfrage“. Damit lassen sich dank gemeinsamer Verhaltensweisen rasterartig Verdächtige einkreisen. Da muss sich der Steuervermeider fragen, ob er den richtigen Zeitpunkt verpasst hat. Wer weiß, ob noch genug Zeit bleibt, eine wirksame Selbstanzeige zu formulieren?