Die Angst vor allem was fremd ist, sitzt tief. Im Tierreich ist es noch heute Instinkt, sein Territorium gegen Eindringlinge zu verteidigen. Diesen Reflex, so sollte man meinen, hat „Homo sapiens“, bedingt durch evolutionäre Entwicklungen und Erfahrungen aus der Vergangenheit, abgelegt. Schließlich steht „Homo sapiens“ für „kluger, vernünftiger Mensch“. Dass dem nicht so ist, zeigen die erschreckenden Vorfälle der jüngsten Vergangenheit, die ihren vorläufigen Höhepunkt in den Ausschreitungen im sächsischen Heidenau fanden. Hunderte Randalierer lieferten sich eine regelrechte Schlacht mit der Polizei. Spiegel online zitiert einen Zeugen, der von „Volksfeststimmung“ und einer „Mischung aus Hass und Freude“ spricht. Dass reichlich Alkohol floss und viele Randalierer betrunken waren, macht es nicht besser. „Klug“ und „vernünftig“ sieht anders aus. Am Ende standen zahlreiche Verletzte und die Erkenntnis, dass geschickte Demagogen die unterbewusste Angst vorm Fremdsein für die Durchsetzung ihrer eigenen kruden und menschenverachtenden Gedanken nutzen.
Dass das alles nichts Neues ist, gibt umso mehr zu denken. Deshalb sind die zögerlichen Reaktionen aus der Politik unverständlich. Fast scheint es, als wolle man die ganze Situation aussitzen, oder zumindest abwarten – vielleicht macht ja der politische Gegner in seiner Hilflosigkeit einen Fehler, den man dann für sich nutzen kann. Aber parteipolitisches Taktieren ist hier völlig fehl am Platze: Zu groß, zu drängend ist das Problem, es müssen Lösungen geschaffen werden. Und zwar kluge und vernünftige – menschliche eben. Aufklärung ist angesagt, so dass es erst gar nicht zum Rumpöbeln vor Flüchtlingsheimen kommt oder dem Verbreiten von Halbwahrheiten oder Falschaussagen.
Aber nicht nur Aufklärung. Der Umgang mit Asylsuchenden zeigt, wie ineffizient die deutsche Bürokratie arbeitet. Verschiedene Zuständigkeiten, unterschiedliche Computerprogramme und immer wieder händisch auszufüllende Formulare verhindern ein zügiges Aufarbeiten der Asylanträge. So kritisiert ein Rechtsanwalt, dass „drei- oder viermal weitgehend identische Personalbögen ausgefüllt werden“. Effizienz sieht anders aus. Das hat das Bundesinnenministerium auch erkannt – und eine „Machbarkeitsstudie“ in Auftrag gegeben.
Konkretes Handeln sieht auch anders aus. Denn eines muss uns klar sein: Solange die schrecklichen Kriege dieser Welt auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen werden, wird der Zustrom von Flüchtenden nicht abreißen.
Deshalb gilt es, endlich ein tragfähiges Konzept auf die Beine zu stellen, das allen Beteiligten gerecht wird. Den Fliehenden, denen hierzulande eine offene und humane Aufnahme entgegengebracht werden muss. Denn niemand verlässt seine Heimat gerne. Aber auch den Wirtschaftsflüchtlingen, die es sicher gibt und die möglichst schnell wieder in ihre Heimat geschickt werden müssen. In diesem Zusammenhang kann man sicher, wie es die frühere Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John gefordert hat, auch über das relativ großzügige Asylsystem in Deutschland nachdenken. Es zieht sicher Menschen an, die keinerlei Aussicht auf politisches Asyl haben – verdenken kann man es ihnen nicht. Aber es muss etwas getan werden. Jetzt. Sofort. Das zögerliche Vorgehen der Politik spielt in erster Linie rechtsradikalen Kräften in die Hände.