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Leitartikel: NRW ist verloren, doch das Problem ist größer
Ivo Knahn
Ivo Knahn
 |  aktualisiert: 08.06.2017 03:54 Uhr

Was haben die Würzburger Kickers und die SPD gemeinsam? – Beide haben gestern sozusagen zu Hause gespielt – die Kickers am Dalle, die SPD in ihrem Stammland Nordrhein-Westfalen. Und: Beide haben verloren und können nur noch mit sehr viel Glück oder durch ein Wunder ihr Ziel erreichen.

Während die Kickers lediglich die Klasse halten wollen, geht es für die SPD um Größeres. Sie wollte bei den Bundestagswahlen am 24. September Martin Schulz als Kanzler inthronisieren. Doch mit der Niederlage in NRW ist das so gut wie ausgeschlossen.

Der Spitzenkandidat war in NRW selbst wahlberechtigt und hat in seiner Heimatstadt Würselen seine Stimme für Hannelore Kraft abgegeben. Dabei hat er schon mal vorgebaut und mit Blick auf die Bundestagswahl gesagt, das Ergebnis der Landtagswahl stehe erst einmal für sich.

Desaster statt Pflichtsieg und bei der Sonntagsfrage abgeschlagen

Doch das stimmt nicht. Ende März verlor die SPD im Saarland, während die CDU deutlich zulegte. Vor einer Woche haben die Wähler in Schleswig-Holstein den amtierenden SPD-Mann Torsten Albig abgewählt. In NRW, wo mit 13,1 Millionen Menschen ein Fünftel aller Wahlberechtigten in Deutschland lebt, kam es jetzt zum Desaster statt zum Pflichtsieg. Und natürlich waren diese Wahlen der Gradmesser für die Parteien vor der Bundestagswahl im Herbst.

Die SPD steckt im Abstiegskampf, obwohl sie um den Aufstieg spielen wollte. Die Wahlergebnisse zeigen, dass sich zu wenige Menschen derzeit auf die SPD verlassen wollen. Wenn man dazu die aktuelle Sonntagsfrage des Umfrageinstituts Emnid anschaut, kann man als Genosse leicht jeden Optimismus verlieren: CDU/CSU kommen auf 37 Prozent, die SPD auf 27. Das ist der niedrigste Wert seit dem 24. Januar, als Schulz zum Kanzlerkandidaten nominiert wurde. Der Schulz-Effekt – er ist aufgebraucht. Die Niederlage in NRW – sie trifft die SPD ins Mark. So dringend hätte Martin Schulz einen Erfolg gebraucht, um weiterhin glaubhaft für sich als Bundeskanzler werben zu können.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat es nicht geschafft, diesen Erfolg zu liefern. Sie ist beliebt, den Menschen zugewandt – hat aber mit ihrer Politik nicht überzeugt. CDU-Mann Armin Laschet mag als Persönlichkeit blass wirken. Doch Kraft hat ihm inhaltlich eine Reihe von offenen Flanken geboten, die ihr gut beratener Kontrahent gezielt angegriffen hat. Dabei ging es vor allem um Versäumnisse in Wirtschafts- und Bildungsfragen sowie beim Thema innere Sicherheit.

Martin Schulz wird jetzt einen „NRW-Effekt“ spüren

Armin Laschet ist die Sensation gelungen. Er hatte nichts zu verlieren und hat alles gewonnen. Noch vor wenigen Wochen hätte wohl kaum ein Mitglied seiner eigenen Partei ihm zugetraut, dass er Kraft gefährlich werden kann. Die Option für die Regierungsbildung ist nicht eindeutig, aber eine große Koalition ist wahrscheinlich. Wenn es dazu käme, muss die SPD aufpassen, dass sie nicht im Schatten der CDU weiter verkümmert.

Mit Blick auf die Bundestagswahl kommen auf Martin Schulz und seine SPD harte Zeiten zu. Es bleiben 133 Tage, in denen Schulz weitestgehend auf sich alleine gestellt ist. Er wird in seinem Wahlkampf die Ergebnisse der Landtagswahlen verdrängen und dennoch einen „NRW-Effekt“ spüren: Es wird jetzt noch schwieriger.

Zusätzlich zu den Niederlagen trägt er die Last der Fehler, die er selbst begangen hat: Dass der Schulz-Effekt ein Strohfeuer war, ist mit seine Schuld. Er hat es zugelassen, dass ein Hype um ihn als Person entstanden ist. Wenn in einer solchen Phase des Personenkults aber drei Landtagswahlen verloren gehen, dann ist man als Kandidat entzaubert.

Wenn man heute darauf wetten sollte, ob eher die Würzburger Kickers den Klassenhalt schaffen, oder Martin Schulz ins Kanzleramt einzieht – die Kickers wären wohl immer noch der sicherere Tipp.

 
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