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Leitartikel: Nicht das rechte Mittel gegen Rechts
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 23.12.2015 11:48 Uhr

Wessen Geistes Kinder die „Kameraden“ des Freien Netzes Süd sind, lässt sich an Martin Wiese gut ablesen: Die Symbolfigur der rechtsextremen Netzwerker trägt bei einem Propagandaauftritt vor Neonazis gerne ein T-Shirt (Branchenjargon „T-Hemd“) mit der Aufschrift „Seine Idee, unser Weg“ und der Unterschrift „Adolf Hitler“. Wiese marschiert vor Gericht gerne im Schutz einer Leibgarde auf, die wie er, ein schwarzes Hemd trägt, finster hinter einer Sonnenbrille hervorstarrt und der NS-Ideologie huldigt.

Der braune Bomber wollte ohne Rücksicht auf das Leben anderer in München einen Sprengstoffanschlag verüben. Kaum war er nach sieben Jahren Gefängnis entlassen, rief er im Landkreis Main-Spessart zur standrechtlichen Erschießung von Andersdenkenden auf – und musste im Juni erneut für 15 Monate ins Gefängnis.

Wiese steht für den gewaltbereiten Flügel der Rechtsextremen, dem die NPD zu sanft ist. Im Freien Netz Süd haben sie ein Sammelbecken gefunden, das von der Polizei mit zunehmender Sorge beobachtet wurde: Demos zum 1. Mai in Schweinfurt und Würzburg, scheinbare Geburtstagsfeiern und Konzerte, die in Wahrheit Propaganda-Veranstaltungen waren, trugen immer stärker die Handschrift dieser losen Verknüpfung gewaltbereiter rechter Kameradschaften.

Lange genug hat sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann vorwerfen lassen müssen, seine Verfassungsschützer würden zaudern, gegen die Rechtsextremen vorzugehen. Ein ganzes Jahr ging ins Land, seit die Polizei in einer landesweiten Razzia nach Beweisen gesucht hatte. Nun hat Herrmann auf einer soliden juristischen Basis das Freie Netz Süd verbieten lassen.

Das soll ein Zeichen der Stärke des Rechtsstaates sein – auch mit Blick auf das geplante NPD-Verbot. Das dürfte ungleich schwieriger werden. Aus den Erfahrungen der NS-Diktatur wollten die Väter und Mütter des Grundgesetzes die richtigen Lehren ziehen. Sie haben die Hürden für ein Parteiverbot hoch gelegt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat sie noch weiter angehoben.

Nun ist das Risiko hoch, zum zweiten Mal mit einem Verbot der Neonazi-Partei zu scheitern. Den Karlsruher Richtern reicht die bloße Ablehnung der Demokratie für ein Verbot nicht. Es muss schon eine „aktiv kämpferische, aggressive“ Haltung dazukommen – nicht nur bei Einzelnen, sondern der Partei insgesamt. Das dürfte schwieriger sein als beim Freien Netz Süd. Und kann man der NPD unterstellen, dass sie eine echte Chance zur Machtergreifung hat – bei 6000 Mitgliedern, kopfloser Führung, Finanzproblemen und 1,3 Prozent bei der Bundestagswahl? Das wäre in Straßburg nötig für ein Parteiverbot.

In Wahrheit zeigt der heutige Fall, wie wenig ein Verbot des Freien Netzes Süd nutzt. Die Rechtsextremen haben längst damit gerechnet, seit der Razzia 2013: Sie bauten eine Nachfolgeorganisation auf, in der die Drahtzieher eine neue Heimat finden. Die neue Partei, die „Der III. Weg“ heißt, soll die Brücke vom „Dritten Reich“ in die Gegenwart schlagen. Sie posiert ungehemmt „als ein parteipolitischer Arm des Nationalen Widerstandes“, der „einer Zusammenarbeit mit freien Kräften gegenüber grundsätzlich offen“ stehe.

Daran sieht man: Mit dem symbolträchtigen Verbot hat der Rechtsstaat gegen die Rechten noch nicht das rechte Mittel gefunden.

 
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