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Leitartikel: Neue Bankenkrise im Anmarsch
Von Stefan Stahl red.politik@mainpost.de
 |  aktualisiert: 11.12.2019 10:18 Uhr

Krisen entstehen nicht über Nacht. Als im Jahr 2008 die Finanzbranche im Zuge des spektakulären Zusammenbruchs des US-Hauses Lehman vor dem Kollaps stand, war das der Kulminationspunkt einer langen degenerativen Entwicklung, die durch einen kapitalen Bock des Ex-US-Präsidenten Bill Clinton beschleunigt wurde. Denn der Politiker befreite 1994 US-Bankhäuser von Fesseln aus den 20er Jahren, die sie bis dahin meist am Boden gehalten hatten. Ab dann kannten die Höhenflüge keine Grenzen mehr: Ohne Sinn und Verstand wurden Menschen Immobilienkredite aufgeschwätzt, die sich ein Haus nicht leisten konnten. Die Ansprüche gegen die Unglückseligen wurden zu toxischen Finanzprodukten gebündelt und weltweit verkauft.

Die Katastrophe war perfekt. Doch die Bewältigung der Krise könnte den Keim der nächsten Krise in sich tragen. Denn die europäischen Bürokraten haben, um Fehlentwicklungen zu vermeiden, die regulatorischen Schrauben so massiv angezogen, dass gerade bei kleineren Banken in Deutschland die Gewinde beschädigt werden könnten.

Ob Genossenschaftsinstitute oder Sparkassen: Den für die Finanzierung des Mittelstands elementaren Spielern wurden Daumenschrauben angelegt. So müssen Bayerns Volks- und Raiffeisenbanken inzwischen 138 Millionen Euro im Jahr mehr für Meldepflichten oder administrative Vorgaben aufwenden. Über Jahrzehnte solide wirtschaftende Banken zahlen die Zeche für die Exzesse großer Finanzadressen.

Wenn das nur alles wäre. Denn Banken geraten durch die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) noch mehr unter Druck. Es fällt ihnen schwer, ausreichend Erträge zur Aufstockung des Eigenkapitals zu erwirtschaften. Das ist aber dringend notwendig, um die digitale Revolution in der Branche mit hohen Investitionen voranzutreiben. Die Unternehmen sehen sich einem radikal veränderten Kundenverhalten gegenüber. Die Bankfiliale steckt immer öfter in Form eines Smartphones in der Hosentasche. Mit dem digitalen Freund erledigen Verbraucher mobil ihre gängigen Bankgeschäfte. Kunden suchen nur noch selten eine Zweigstelle auf. Deswegen straffen die Banken zum Unwillen vor allem älterer Kunden das Filialnetz. Ja, sie fusionieren mit anderen Häusern und bauen Stellen ab. Das schadet dem Renommee der Branche.

Andererseits gewinnen schlanke Konkurrenten ohne Filialnetz wie die pfiffige Bank ING-DiBa weiter Kunden. Nicht auszudenken, wenn Spekulationen wahr werden, und US-Internet-Imperialisten wie Apple, Google oder Amazon die Bankszene erobern. Die Krise würde ihren Höhepunkt erreichen, zumal auch das größte private Institut unseres Landes ein verheerendes Bild abgibt. Verantwortliche der Deutschen Bank sind zu große Risiken eingegangen. Milliardenstrafen sind die Folge. Jetzt muss Deutsche-Bank-Chef Cryan endlich erklären, wo er mit dem Konzern hin will. Verkauft er die Postbank oder hält er – was sinnvoll wäre – doch an ihr fest? Nur mit klaren Ansagen kann der Brite das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen, den Börsenkurs steigern und eine Kapitalerhöhung für Investitionen durchsetzen.

Das Gefährliche am Zustand des deutschen Bankensektors ist, dass alle drei Säulen, Genossenschaftsbanken, Sparkassen und private Häuser, im Feuer stehen. Die drei Pfeiler werden aber gebraucht, um die Wirtschaft gerade auch in schlechteren Zeiten zu stützen.

 
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