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Leitartikel: Mursi muss mit Israel kooperieren
Von Gil Yaron red.politik@mainpost.de
 |  aktualisiert: 06.08.2012 19:25 Uhr

Was man von hier sieht, kann man von dort nicht sehen“, lautet eine alte israelische Weise, und will sagen: Man kann das Verhalten anderer erst beurteilen, wenn man in ihren Schuhen steckt. Niemand versteht das heute besser als Ägyptens neuer Präsident Muhammad Mursi. Seit Jahrzehnten geißelte seine Bewegung, die Muslimbrüder, Mursis Amtsvorgänger Husni Mubarak für die Kooperation mit Israel. Islamisten beschimpften ihn als Kollaborateur westlicher Kolonialmächte und der Zionisten, verbrannten auf Demonstrationen Poster mit dem Antlitz Mubaraks, auf dessen Stirn ein blauer Davidstern prangerte. Die Muslimbrüder würden Kairos Gangart gegenüber Israel und der radikal-islamischen Hamas drastisch verändern, sagten sie: Jerusalem drohten sie mit der Annullierung des Friedensvertrags, der Hamas versprachen sie Hilfe. So dachten die Islamisten, die in der Nacht zum Montag 16 ägyptische Soldaten töteten und danach Israel angriffen, es gebe keinen besseren Zeitpunkt für ihre Tat als nach dem Wahlsieg Mursis.

Seit Monaten versuchen islamistische Organisationen, sei es Hamas, El Kaida oder Anhänger des Irans, den Konflikt an der ägyptisch-israelischen Grenze anzuheizen. Der Sinai ist dafür ideal: Ein Friedensvertrag bietet Terroristen Schutz vor israelischen Präventiv- und Vergeltungsschlägen. Seit Mubaraks Sturz im Januar 2011 hat Kairo seine Staatsgewalt hier aufgegeben. Die Gaspipeline nach Israel und Jordanien wurde seither 15 Mal gesprengt, Schusswechsel zwischen Bewaffneten und der Armee sind Routine. Soldaten wagen sich oft nicht von den Hauptstraßen, an Straßensperren bleiben sie aus Angst vor Angriffen in ihren Schützenpanzern sitzen. Teile Sinais halten Terroristen, die Israel und Ägypten mit gezielten Anschlägen in einen neuen Krieg treiben wollten.

Fast wäre das gelungen: Vergangenen Sommer stürzte ein Attentat, bei dem israelische Soldaten auf Verfolgungsjagd auf Terroristen auch ägyptische Soldaten töteten, die Beziehungen in eine tiefe Krise. Doch wenn die Angreifer vom Sonntag dasselbe Ziel verfolgten, ging der Schuss nach hinten los. Der Angriff auf Soldaten, die gerade den Ramadan feierten, erweckt in Kairo tiefe Wut und ein Gefühl nationalen Zusammenhalts. Der Zwist zwischen Muslimbrüdern und der Armee ist vorerst vergessen. Zwar wollen manche die Rachegelüste auf Israel lenken, doch ohne Erfolg. Der Angriff, anscheinend auch von Palästinensern begangen, hat einen Keil zwischen die Muslimbrüder in Kairo und ihre Tochterbewegung, der Hamas in Gaza, getrieben. Mursi ist in erster Linie Ägypter und erst danach Muslim. Vergangene Woche noch empfing er Hamas-Premier Ismail Haniyah und versprach die Öffnung des Grenzübergangs in Rafah. Jetzt machte Mursi die Grenze dicht, ägyptische Medien sprechen von Vergeltungsschlägen auf Gaza.

Als Präsident entdeckt Mursi jetzt die Wichtigkeit des Friedensvertrags mit Israel und die zentrale Rolle, die die Armee für Ordnung und Sicherheit in Ägypten spielt. Vergangene Woche dementierte sein Büro voller Scham einen Dankesbrief, den Mursi laut israelischen Angaben an seinen Amtskollegen Schimon Peres in Jerusalem geschrieben hatte. Doch wenn die Muslimbrüder im Sinai stellvertretend für Ägypten für Ruhe sorgen wollen, wird auch die neue Regierung mit Israel kooperieren müssen.

 
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