Spätestens jetzt müsste dem Letzten klar sein, was Russland wirklich unter Deeskalationszonen verstanden hat. Anders als in Astana verkündet, ging es nie darum, die Bewohner einzelner Regionen besser zu schützen und die Kriegsflammen Schritt für Schritt auszutreten. Stattdessen wurden lediglich die Rebellen-Gebiete im Nebel einer Friedensrhetorik der Reihe nach sortiert, um sie dann nacheinander zu erledigen. Im Frühjahr kapitulierte Ost-Ghouta, jetzt ist die Enklave in Südsyrien dran.
Ungeachtet der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land legen russische Luftwaffe, syrische Armee und iranische Milizen nun alles in Schutt und Asche – nach Aleppo und Ost-Ghouta die nächste humanitäre Apokalypse. Im Herbst folgt dann wohl das letzte Kapitel in diesem mehr als siebenjährigen Horror, wenn sich die Angreifer die Nordprovinz Idlib mit ihren drei Millionen Menschen vorknöpfen.
Die USA haben Putin und Assad militärisch das Feld überlassen
Militärisch ist der syrische Bürgerkrieg danach entschieden, ohne dass das Regime irgendwelche politischen Konzessionen an die Opposition machen musste. Bis auf die Kurdengebiete, die nie offen rebellierten, hat Baschar al-Assad die gesamte Restbevölkerung und jeden Zentimeter syrischen Bodens wieder unter Kontrolle. Zudem fühlen sich die Russen bei ihrem gegenwärtigen Blutbad nahe der jordanischen Grenze diesmal auch von der Trump-Administration stillschweigend gedeckt. Denn das Weiße Haus hat sich offenbar vor dem amerikanisch-russischen Gipfel in Helsinki am 16. Juli entschlossen, Wladimir Putin und Baschar al-Assad militärisch endgültig das Feld zu überlassen. Den lange vom Westen unterstützten Rebellen im Süden ließ der US-Präsident gleich zu Beginn des russischen Bombardements per WhatsApp mitteilen, sie könnten nicht mit einem amerikanischen Eingreifen rechnen. Stattdessen wollen Donald Trump und seine Entourage nach dem Ende des Islamischen Staates künftig alles nur noch einem Ziel unterordnen, den Iran auf die Knie zu zwingen. Bei diesem monomanen Kraftakt weiß er seinen engsten nahöstlichen Gesinnungsgenossen, Israels Premier Benjamin Netanjahu, genauso hinter sich wie die reichen Golfstaaten mit Saudi-Arabien vorneweg.
Assads Gewaltherrschaft bliebe weitgehend unangetastet
Dafür will Washington vor allem sicherstellen, dass Moskau und Damaskus den Einfluss von Teheran beschneiden und die Iraner zum Abzug ihrer auf 80 000 Mann geschätzten schiitischen Milizionäre drängen. Auch für den Kreml liegt das im eigenen Interesse. Putin möchte die Kämpfe bald zu Ende bringen und seine Machtposition im Nachkriegssyrien zementieren. Offen ist jedoch, ob der russische Präsident genug Druckmittel in der Hand hat, seinen Kriegskomplizen Assad auf diese neue Linie gegen Teheran festzulegen. Der Diktator braucht die iranischen Hilfstruppen, um seine ausgebrannte Armee zu stabilisieren. Obendrein wünscht er die Iraner im Land als Gegengewicht zu den Russen, auch wenn die Aversionen seiner Landsleute gegen die mittlerweile allgegenwärtige Präsenz der Islamischen Republik spürbar gestiegen sind.
Leidtragende in diesem strategisch-militärischen Kalkül aber sind wie immer die Menschen. Denn Assads Gewaltherrschaft bliebe weitgehend unangetastet. An Befriedung, Aussöhnung und Stabilität wäre auf Jahrzehnte nicht zu denken. Die Hälfte des syrischen Volkes ist auf der Flucht. Fast jede Familie hat Tote und Verletzte zu beklagen. Zudem könnten Hunderttausende, die friedlich gegen das Regime opponierten, nicht zurück in ein solches Syrien, das Trump jetzt Putin aushändigen will. Für die Nachbarn Türkei, Jordanien und Libanon, aber auch für Europa, das sich an der Flüchtlingsfrage nahezu zerreißt, wird dies die wichtigste Botschaft sein von dem Helsinki-Gipfel der beiden Weltmächte.