Das Netz, das Deutschland in Bewegung hält, ist eng geknüpft. Knapp 13 000 Kilometer Autobahn, 40 000 Kilometer Bundesstraßen, mehr als 33 000 Kilometer Schiene und über 7000 Kilometer Wasserwege: Das sind die Lebensadern einer modernen Industrienation. Verkehrsminister Alexander Dobrindt versucht, den drohenden Verkehrsinfarkt nun mit einem politischen und finanziellen Kraftakt zu verhindern. Hinter dem sperrigen Begriff vom neuen Bundesverkehrswegeplan verbergen sich Investitionen von mehr als 260 Milliarden Euro für die nächsten 15 Jahre. Das ist nicht nur deutlich mehr Geld als seine Vorgänger in ähnliche Pläne gesteckt haben – der CSU-Mann unterscheidet auch stärker zwischen dem wirklich Nötigen und dem Wünschenswerten.
Ein Land, das seine Verkehrssysteme seit Jahrzehnten auf Verschleiß fährt, kann nicht jedem Dorf eine Umgehungsstraße versprechen und nicht jeder Kleinstadt für alle Zeiten einen Bahnanschluss garantieren. Es muss Prioritäten setzen, vernetzter denken und vor allem die bestehenden Engpässe beseitigen. Der Erhalt und der Ausbau von Strecken und Brücken haben deshalb Vorrang vor dem Neubau.
Die Zeiten, in denen ein Verkehrsminister die Milliarden mit der Gießkanne über die Republik im Allgemeinen und seinen Wahlkreis im Besonderen verteilen konnte, sind lange vorbei. Nicht jeder Ministerpräsident, Landrat oder Bürgermeister wird deshalb mit Dobrindts Plänen einverstanden sein – dazu hat der Minister zu viele der gut 2000 Vorhaben, die bei ihm angemeldet wurden, unberücksichtigt gelassen. Nüchtern betrachtet jedoch, macht er aus den begrenzten finanziellen Möglichkeiten das Beste. Er sorgt dafür, dass der Verkehr auf 1700 Autobahnkilometern und auf 700 Kilometern Schiene bald schneller fließt – und straft all jene Kritiker Lügen, die ihn nach dem Chaos um die Pkw-Maut schon zu einer Fehlbesetzung gestempelt haben.
Nun allerdings kommt es darauf an, dass aus den Plänen auch Projekte werden. Nur weil der Ausbau einer Straße oder einer ICE-Strecke jetzt auf der Liste des Ministers steht, heißt das ja noch nicht, dass auch zügig gebaut wird. Mal stoppen Klagen ein Vorhaben wie die dringend benötigte Elbvertiefung in Hamburg, mal können sich Kommunalpolitiker und Anwohner nicht auf den Verlauf einer Trasse einigen. Manches als dringend deklarierte Projekt ist schon in der Vergangenheit nicht am Geld gescheitert, sondern am fehlenden Rückhalt in der Bevölkerung oder an mangelnder Kompromissbereitschaft.
Auch Dobrindt selbst ist noch nicht aus dem Schneider. Die Abgeordneten, deren Regionen weniger von seinem Verkehrswegeplan profitieren als erhofft, werden in den parlamentarischen Beratungen nur ein Ziel haben: ihre Projekte im zweiten Versuch doch noch in seinem Investitionskatalog unterzubringen.
Im ungünstigsten Fall holt Dobrindt sogar die leidige Pkw-Maut wieder ein: Finanzminister Wolfgang Schäuble verteidigt trotz der hohen Kosten für die Betreuung und die Integration der Flüchtlinge tapfer seine schwarze Null. Das heißt, dass es in anderen Etats irgendwann eng werden wird. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte dann eine Pkw-Maut sein – und zwar nicht nur für Ausländer, sondern für alle.