zurück
Leitartikel:Merkels Flexibilität ist ihr Trumpf gegen Schulz
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 29.05.2017 04:00 Uhr

Wahlen muss man gewinnen, nicht Umfragen. Und Stimmungen, zumal selbst erzeugte, sind noch lange keine Stimmen. Politische Binsenweisheiten, wohl wahr, aber von zeitloser Gültigkeit, wie SPD-Chef und Merkel-Herausforderer Martin Schulz gerade bitter erfahren muss. Nach einem furiosen Start und einer unglaublichen Aufholjagd in den Meinungsumfragen ist er reichlich unsanft auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet. Seine Kampagne ist kein Selbstläufer, im Gegenteil, schneller als erwartet ist der neue SPD-Chef im tiefen Tal der Tränen angekommen und sieht sich heftigem Gegenwind ausgesetzt.

Dabei hatten sich Schulz und die Strategen im Willy-Brandt-Haus für das Rennen um die Kanzlerschaft einen vielversprechenden Plan zurechtgelegt. Zuerst sollte im Saarland Ende März CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer besiegt und dann im Mai in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen die SPD-Regierungschefs Torsten Albig und Hannelore Kraft eindrucksvoll im Amt bestätigt werden. Mit dieser Siegesserie im Rücken wollte Schulz Angela Merkel unter Druck setzen und selber das Kanzleramt erobern. Doch nach zwei Wahlen liegt der Herausforderer bereits mit 0:2 im Rückstand, schlimmer noch, ausgerechnet bei den Wahlen in NRW, der Herzkammer der Sozialdemokratie, droht am kommenden Sonntag ein weiteres Debakel.

Beliebtheit des SPD-Chefs hilft in Bundesländern wenig

SPD und CDU liegen praktisch gleichauf, Rot-Grün ist in der Defensive, die erkennbaren Defizite der eigenen Spitzenkandidaten werden zu einer Last für den neuen Hoffnungsträger der SPD. Wie in Kiel so eventuell auch in Düsseldorf: Wenn in den Ländern die Bilanz der jeweiligen Landesregierung dürftig ausfällt, hilft die Beliebtheit des SPD-Chefs auch nichts, erst recht, wenn er auch inhaltlich nur wenig zu bieten hat. Merkels Strategie, den Herausforderer kommen zu lassen, ruhig zu bleiben und auf seine Entzauberung zu setzen, geht auf. Als Kanzlerin hat sie alle Trümpfe in der Hand, weil sie aus dem Amt heraus agieren kann. Während Schulz nicht einmal den Bundestag als Bühne hat, steht Merkel ein ums andere Mal im Rampenlicht. In Kürze empfängt sie den neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Ende Mai tritt sie beim Kirchentag mit dem früheren US-Präsidenten Barack Obama vor dem Brandenburger Tor auf, als Gastgeberin des G20-Gipfels Anfang Juli empfängt sie die Großen der Welt. Ihre Stimme hat Gewicht, die Bilder gehen um die Welt.

Flüchtlingskrise in den Hintergrund gerückt

Zudem ist auf Bundesebene die Wechselstimmung gering ausgeprägt, die Kanzlerin kann neben ihrer internationalen Reputation mit glänzenden Zahlen zu Hause aufwarten. Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit hat ein Rekordtief erreicht, Löhne und Renten steigen, dagegen rückt die Flüchtlingskrise in den Hintergrund, die CDU punktet auch beim Thema innere Sicherheit.

Nicht zuletzt hat Angela Merkel den strategischen Vorteil, dass sie im Gegensatz zu Schulz über mehrere Koalitionsoptionen verfügt, während die SPD unverändert keine realistische Machtperspektive hat. Mit Ausnahme der beiden extremen Kräfte AfD und Linke kann die Merkel-CDU mit allen Parteien der Mitte Bündnisse eingehen, mit der FDP ebenso wie mit den Grünen, mit der SPD ohnehin. Wenn es Daniel Günther, dem neuen Shooting-Star der Union, gelingt, im Norden das zweite Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen zu schmieden – eine Option, die auch Armin Laschet in NRW anstrebt –, wäre dies eine entscheidende Weichenstellung für die Bundestagswahl: Die Union kann auch den Dreier.

Merkels Flexibilität ist ihre Stärke, ihr hat Schulz nichts entgegenzusetzen. An Christian Lindner wie den beiden Ober-Realos Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt würde Jamaika sicher nicht scheitern. Und damit stünde es im Herbst 4:0 für Merkel. Wer hätte dies noch im Januar für möglich gehalten?

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Martin Ferber
Alternative für Deutschland
Annegret Kramp-Karrenbauer
Armin Laschet
Barack Obama
Bundeskanzleramt
Bundeskanzlerin Angela Merkel
CDU
Cem Özdemir
Christian Lindner
Daniel Günther
Deutscher Bundestag
FDP
Hannelore Kraft
Kanzler
Katrin Göring-Eckardt
Martin Schulz
SPD
SPD-Vorsitzende
Torsten Albig
Trumpf GmbH + Co KG
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • al-holler@t-online.de
    Wie bitte?
    Wie kommt der Herr denn darauf, dass der Herr Schulz "beliebt" wäre (gleich zwei mal sagt er das), wo der doch im direkten Vergleich von der - wenn man dem (gefärbten) mainstream glauben würde - doch ach so unbeliebten Frau Merkel z.Zt. in allen Umfragen abgehängt wird - und zwar um Welten?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten