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Leitartikel: Mehr Mut bei den Diäten

Von Folker Quack

folker.quack@mainpost.de

 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:06 Uhr

Bravo! So möchte man Joachim Gauck zurufen, der seinem Ruf als unabhängiger aber auch unbequemer Bundespräsident immer öfter gerecht wird. Aktuell mit der genauen Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der von der Großen Koalition im Eiltempo durchgepeitschten Diätenerhöhungen.

Dabei geht es weniger um die Frage, ob sich die Abgeordneten in zwei Stufen ihre Bezüge um insgesamt zehn Prozent erhöhen dürfen. Das mag angesichts der derzeit üblichen Gehaltsanpassungen übertrieben hoch sein, politisches Gespür kann die Verfassung den Abgeordneten nicht vorschreiben. Bei der Überprüfung durch das Präsidialamt geht es vielmehr darum, ob unsere Volksvertreter ihre Bezüge künftig quasi automatisch an die allgemeine Lohnentwicklung anpassen dürfen.

Dabei stecken die Parlamentarier in der Tat in einem Dilemma. Auf der einen Seite sind sie gesetzlich verpflichtet, über die Höhe ihrer Bezüge selbst zu entscheiden, auf der anderen Seite wird ihnen gerade das immer wieder als Selbstbedienungsmentalität ausgelegt.

Dem wollte man entgehen, indem man die Bezüge auf das Niveau eines Bundesrichters bringt und die Anpassung dann nur mit einem einfachen Beschluss des Bundestages entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung nachvollzieht.

Das klingt sinnvoll und könnte ein Ausweg aus dem Dilemma sein. Doch die Politiker trauten sich nicht, das Vorhaben breit zu diskutieren. Stattdessen wurde es im Eiltempo von der Große Koalition gegen Widerstand der Opposition beschlossen, in kürzester Zeit durch den Bundestag gepeitscht und dann relativ kurzfristig vor Inkrafttreten dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt. Doch Joachim Gauck wäre nicht Joachim Gauck, würde er dies einfach abnicken.

Wenn auch nicht immer die Qualifikation, so ist doch die Bedeutung der Arbeit eines Abgeordneten mit der eines Bundesrichters durchaus vergleichbar – warum nicht auch die Bezüge? Weil Abgeordnete neben vielen anderen Privilegien teilweise sehr lukrativen Nebenbeschäftigungen nachgehen dürfen. Ein Bundesrichter muss sich eine solche genehmigen lassen, wenn er mehr als 100 Euro im Monat nebenbei verdient.

Liebe Abgeordnete, mal ehrlich, bleibt einem Mitglied des deutschen Bundestages, der sich in Ausschüssen engagiert, der sein Spezialthema in der eigenen Partei voranbringt, der seinen Wahlkreis in Berlin couragiert vertritt, Zeit für arbeitsintensive Nebenjobs? Oder ist es nicht doch der mögliche Einfluss auf die Politik, der Parlamentarier in Aufsichtsräten, Vorständen oder als Berater so begehrt macht? Sind es nicht gerade die einflussreichen oder ehemals einflussreichen Politiker, die lukrative Angebote bekommen, als die sicherlich mit mehr Freizeit ausgestatteten Hinterbänkler?

Deutschland braucht Spitzenkräfte in der Politik, die sollen dann auch angemessen bezahlt werden. Das Gehalt eines Bundesrichters sollte genügen, um unabhängig, frei und sachorientiert entscheiden zu können. Nebenbeschäftigungen, die das einschränken, sollten dann wie bei einem Richter auch genehmigungspflichtig sein und beim geringsten Verdacht einer Interessenkollision verboten werden.

Das wäre den Menschen auch zu vermitteln und dann kann die Angleichung alle vier Jahre öffentlich debattiert und beschlossen werden. So viel Mut in eigener Sache sollten unsere Politiker haben.

 
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