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Leitartikel: Liberales Korrektiv fehlt in Deutschland
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:57 Uhr

Die Zeiten, in denen Spötter den Namen FDP mit „Fast drei Prozent“ übersetzten, gehören – zumindest auf Bundesebene – der Vergangenheit an. Christian Lindner, der nach der schweren Niederlage der Liberalen bei der Bundestagswahl vor gut zwei Jahren an die Spitze einer Partei gewählt wurde, die personell wie programmatisch in Trümmern lag und ums Überleben kämpfte, hat in zäher, geduldiger Arbeit den weiteren Abwärtstrend verhindert und die FDP konsolidiert. Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahlen wären, könnte sie nach den jüngsten Umfragen sogar den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen – wenn auch knapp.

Auf dem traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen am Mittwoch in Stuttgart kann Christian Lindner daher nicht nur mit Zufriedenheit verkünden, dass es die FDP noch gibt, sondern auch selbstbewusst den Anspruch erheben, künftig wieder eine stärkere Rolle in den Ländern wie im Bund spielen zu wollen.

Doch gute Umfragewerte alleine sind keine Garantie für einen tatsächlichen Erfolg an der Wahlurne. Und nur auf den kommt es an. Zwar gelang es der FDP im vergangenen Jahr, sowohl in Hamburg wie in Bremen dank geschickt inszenierter Wahlkämpfe mit attraktiven Spitzenkandidatinnen wieder in die Bürgerschaft einzuziehen, der Aussagewert dieser Erfolge ist jedoch eher begrenzt. Entscheidender für die weitere Zukunft der FDP ist ihr Abschneiden bei den drei Landtagswahlen in den Flächenländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 13. März. Da allerdings gibt es momentan wenig Grund zum Jubeln. In Sachsen-Anhalt dümpeln die Liberalen bei mageren drei Prozent dahin, in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz liegen sie nach den jüngsten Umfragen bei fünf Prozent, was keine Garantie für einen Einzug in die Landtage von Stuttgart und Mainz bedeutet.

Dabei wären die Zeiten überaus günstig für eine Partei, die ein echtes liberales Gedankengut vertritt. In Berlin regiert eine Große Koalition, die von den Erfolgen der Vergangenheit lebt, wenig Reformeifer zeigt und im Zweifelsfall auf immer noch mehr Staat setzt. In der Wirtschafts- wie in der Gesellschaftspolitik fehlt ein Korrektiv, das die Kraft des Individuums bevorzugt und die Bürger- und Freiheitsrechte lautstark verteidigt. Doch die FDP füllt diese Rolle nicht aus, ihr fehlt auch die Bühne in Berlin, um ihre Positionen zu Gehör bringen zu können.

Mehr noch, die anhaltende Flüchtlingskrise überdeckt derzeit alles andere, wovon vor allem die AfD als entschiedene Gegnerin der Politik Merkels profitiert. Und angesichts der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus hat Sicherheit Vorrang vor Freiheit.

Immerhin, die Zeiten der alten Westerwelle-FDP, in der die Lautstärke das Profil ersetzte und Show an die Stelle von Substanz trat, sind vorbei, Christian Lindner bemüht sich, der Partei neue Seriosität und Ernsthaftigkeit zu verleihen. Doch er steht weitgehend alleine auf weiter Flur. Von seinen Stellvertretern tritt lediglich Wolfgang Kubicki hin und wieder mit flotten Sprüchen in Erscheinung, von Katja Suding und Marie-Agnes Strack-Zimmermann sowie Generalsekretärin Nicola Beer ist nichts zu sehen und zu hören.

Der fehlende Unterbau in den Ländern macht sich schmerzlich bemerkbar. Als Ein-Mann-Partei aber hat die FDP auf lange Sicht keine Chance.

 
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