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Leitartikel: Lehman und der Casino-Kapitalismus
Von Michael Deppisch michael.deppisch@mainpost.de
 |  aktualisiert: 14.09.2012 18:57 Uhr

Es war um acht Uhr morgens am 15. September 2008. In den Büros der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Frankfurt blubberten an diesem Montagmorgen die Kaffeemaschinen. Am Vormittag sollte im Kreditausschuss über eine Überweisung an die New Yorker Investmentbank Lehman Brothers beraten werden.

Auch das Computersystem der KfW machte sich an die Arbeit – und überwies um 8.03 Uhr den Betrag von 350 Millionen Euro an Lehman. Und das, obwohl etwa „Handelsblatt online“ bereits um 7.15 Uhr deutscher Zeit gemeldet hatte: „Lehman Brothers muss Konkurs beantragen“. Menschliches Versagen hieß es, die Verantwortlichen waren ihre Jobs los. Doch die peinliche Panne wurde in den folgenden Wochen zur Randnotiz.

Die Pleite von Lehman löste die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit aus. Wir alle haben es miterlebt. Haben im Frühjahr 2009, als selbst die starke deutsche Industrie am Boden lag, von der Abwrackprämie für Autos profitiert. Haben erlebt wie Kurzarbeit zum deutschen Erfolgsmodell für die rasche Bewältigung der Krise wurde. Und haben eine Menge Unerfreuliches über die bisweilen bizarren Gepflogenheiten in einem Land wie Griechenland erfahren.

Die Krise ist längst zum täglichen Begleiter geworden. War anfangs die amerikanische Finanz- und Immobilienkrise der Ausgangspunkt, so sprechen wir heute über die europäische Schuldenkrise. Lehman scheint vergessen, den Schwarzen Peter haben jetzt wir Europäer.

Das ist praktisch. Denn während Europa um seine Zukunft ringt und immer neue Milliarden-Rettungspakete geschnürt werden, sind die internationalen Finanzmärkte längst zum Tagesgeschäft übergegangen. Und das heißt schlicht: Geld machen. In den Handelsbüros der Finanzgiganten sitzt eine neue Generation Hochbegabter, die, gierig nach hohen Bonuszahlungen, bereit ist, fast alles dafür zu tun.

Und so wird gezockt, egal um was. Mal sind es Rohstoffe oder Nahrungsmittel, mal geht es um Sportveranstaltungen oder das Überleben von Staaten. Hauptsache die Rendite stimmt. Die Helden der Branche sind Leute wie Ex-Lehman-Chef Richard Fuld, der in den zehn Jahren vor der Pleite seines Unternehmens rund 457 Millionen Dollar gemacht haben soll. Oder, besser noch, John Paulson: Der Hedgefonds-Manager hat laut „Forbes“ 2010 einen Jahresverdienst von fünf Milliarden Dollar eingestrichen.

Paulson wettete auf den Zusammenbruch des amerikanischen Hypothekenmarktes und gewann. Selten hat ein Wort einen Zustand so treffend beschrieben wie der Begriff Casino-Kapitalismus das Gebaren an den internationalen Finanzmärkten im 21. Jahrhundert.

Finanzwetten machen wenige Menschen superreich – und schaden dafür dem Rest der Menschheit. Sie sind schlicht unmoralisch. So einfach ist das. Und dennoch tun wir viel zu wenig dagegen. Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich bezifferte den Bestand an Finanzwetten im Jahr 2010 auf rund 600 Billionen Dollar. Noch Fragen?

Da scheint es nur logisch, dass die australische Börse bei der Suche nach einem neuen Vorstandschef bei einem Mann mit einer besonderen Qualifikation fündig geworden ist: Elmer Funke Kupper war zuvor Chef beim Glücksspielkonzern Tabcorp, der Casinos betreibt und Wetten anbietet. Lehman, das muss uns klar sein, lebt munter weiter.

 
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  • Du_di_ned_oo
    Die Welt auf Pump
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