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Leitartikel: Keine leichte Entscheidung
Von Michael Czygan michael.czygan@mainpost.de
 |  aktualisiert: 28.01.2013 19:34 Uhr

Als Vater zweier Kinder, die in absehbarer Zeit (vermutlich) ihr Abitur ablegen, müsste ich eigentlich ins Rathaus gehen – und für das Volksbegehren „Nein zu Studienbeiträgen in Bayern“ unterschreiben. Oder? 1000 Euro pro Kind und Jahr, wie sie die meisten Hochschulen im Freistaat erheben, sind schließlich eine Menge Geld – für die Studierenden und ihre Eltern.

Ich bin noch nicht im Rathaus gewesen, ich habe nämlich Zweifel. Zweifel, dass ohne die Gebühren auf Dauer die Ausbildung der Studenten, also unserer Kinder, leidet. Seit Einführung der Beiträge anno 2007 haben sich nämlich die Studienbedingungen vielerorts massiv verbessert. Da wo früher, etwa in den Geisteswissenschaften, Seminare mit über 100 Teilnehmern keine Seltenheit waren, sind die Lerngruppen deutlich kleiner geworden. Ähnliches gilt für Praktika in den Naturwissenschaften. Die Ausstattung von Labors und Bibliotheken wurde verbessert, das meiste Gebührengeld aber fließt in zusätzliches Personal – an der Universität Würzburg nach eigenen Angaben 70 Prozent. Studenten werden deutlich besser als zuvor betreut. Ein Fakt, den im Kern niemand bestreitet.

Deshalb fordern die Initiatoren des Volksbegehrens, das Geld, das bislang Studenten und ihre Eltern aufbringen, müsse künftig aus dem allgemeinen Steueraufkommen an die Hochschulen ausbezahlt werden. Momentan ist Wahlkampf – und die Finanzlage des Freistaats ist ausgesprochen gut. Was aber, wenn die Steuern nicht mehr ganz so sprudeln, wenn die Verteilungskämpfe wieder heftiger werden? Dann drohen diese Mittel wieder mit sonstigen Hochschulinvestitionen verrechnet zu werden. Oder mit den Geldern für die frühkindliche Bildung, wo ja auch alle politischen Parteien mehr versprechen, als sie jemals halten können.

Fraglich auch, dass es gelingen kann, für „Studienbeiträge aus dem Staatshaushalt“ die aktuelle Form der Mitbestimmung von Studenten zu erhalten. Bei der Verteilung der Gebühren reden die Studierenden nämlich mit – wie sonst nirgendwo an der Hochschule. So schaffen die Beiträge auch Bewusstsein für den Wert des Studiums. Für viele Fach- und die Meisterschulen muss schließlich auch bezahlt werden.

Andererseits, wenn Bildung der Rohstoff ist, an dem unsere Zukunft hängt, wie es in den Sonntagsreden der Politiker immer heißt, muss sie dann nicht – unabhängig vom Geldbeutel des Einzelnen und seiner Eltern – gratis angeboten werden? Berechtigte Frage auch: Wenn niemand sonst in Deutschland Studienbeiträge verlangt, warum ausgerechnet das reiche Bayern? Ist es gerecht, wenn der Freistaat über den Länderfinanzausgleich das kostenfreie Studium anderswo mitfinanziert, während die Studenten hierzulande zahlen?

Es gibt gute Argumente für, es gibt gute Argumente gegen Studiengebühren: Es ist eine Debatte wert, sie gegeneinander abzuwägen. Leider wird diese Debatte aktuell nicht geführt, weil die Regierungspartei CSU nicht will. Statt mit der FDP offensiv für die Beiträge zu werben und den Hochschulen beizustehen, ducken sich die Christsozialen weg – in der stillen Hoffnung, dass das Volksbegehren an der Zehn-Prozent-Hürde scheitert. Und wenn nicht, kann man immer noch einknicken, so die CSU-Linie. Bloß keine Diskussion. Das ist feige.

Aber deswegen fürs Volksbegehren unterschreiben? Nein, taktieren sollen die anderen.

 
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    müsste ich für Studiengebühren sein.
    Meine zwei Kinder studieren, ich kann mir die Gebühren leisten, da meine Frau und ich in den 70ern des letzten Jahrhunderts gebührenfrei studieren konnten. Da müsste ich eigentlich froh sein, wenn Kindern anderer als Konkurrenz für meine Kinder ausfallen, da sie von der Studiengebühr abgeschreckt werden.
    Aber auf Grund meines Gewissens und weil ich der Meinung bin, jeder sollte die Chance bekommen, die ich einst hatte, bin ich gegen diese Gebühren. Obwohl ich, nachdem ich einen kleinen sozialen Aufstieg geschafft habe, dafür sein sollte.
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    In kaum einem anderen Land waren die sozialen Errungenschaften so weit fortgeschritten wie bei uns. So war ein Universitätsabschluss für Kinder aus allen Schichten finanzierbar, ein Privileg um das uns viele in der Welt beneidet haben dürften. In einem der reichsten und sozialsten Ländern der Erde sollte der kostenlose Zugang zu allen Schulen zu den elementarsten Grundrechten der Kinder gehören. Niemand sollte aufgrund seiner finanziellen Situation am Besuch einer Universität gehindert werden. In Ihrem Artikel befürworten Sie Studiengebühren mit dem Argument, dass die Studienbedingungen vielerorts massiv verbessert worden sind – ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die finanziell nicht in der Lage sind ihren Kindern diesen Ausbildungsweg zu ermöglichen. Mir drängt sich zunehmend der Verdacht auf, dass die Wahl zum Dschungelkönig auf mehr Interesse in der Bevölkerung stößt, als die Wahrung eines Privilegs, für das unsere Vorfahren gekämpft haben - sie würden sich wohl im Grabe umdrehen.
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  • U. A.
    .... Michael, Volksbegehren und Abstimmung sind doch mehr als zweimal aktiv werden zwinkern
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    Ich finde die Meinung des Herrn Czygan gut und berechtigt. Sein Statement ist durchaus nachvollziehbar und Meinung dafür (!) ist doch schon genug gemacht worden, deshalb ist ein anderer Standpunkt durchaus zu vertreten, bzw. zu begrüßen.
    Schade ist tatsächlich, daß das nicht kontroverser diskutiert wird. Zum Beispiel:-- In allen Ländern Studiengebühren (ist auch besser für den Länderfinanzausgleich). -- Wenn es keine Chancengleichheit bei der Bildung gibt, wieso soll dann der Arbeiter über seine Steuern das Studium der Lehrerkinder mitfinanzieren? -- Und wieso soll ein junger Handwerker/Facharbeiter die gleichaltrigen Studenten unterstützen, die wenn sie fertig sind mit Verachtung auf diejenigen schauen die sich die Hände schmutzig machen. -- Wieso soll ein junger Handwerker/Facharbeiter die gleichaltrigen Studenten unterstützen, wenn er für seinen Meisterbrief oder der Technikerausbildung selbst tief in die Tasche greifen muss. -- Eine Vorfinanzierung ohne Zinsen wäre denkbar.
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  • T. S.
    Ich kann das Gejammere mit den Ausbildungskosten zu einem Meister nicht mehr hören. Wer braucht denn eine Meisterausbildung, doch nur derjenige der sich später selbstständig machen will. Meisterausbildungen sind meist berufsbegleitend durchführbar. Außerdem haben die, die eine Meisterausbildung mache schon mehrere Jahre vorher verdient und müssen, da elternunabhängiges bafög ,nicht mehr so unterstützt werden. Ich habe selber eine Meisterausbildung und die ist gegenüber einem Studium Peanuts. Berufsbegleitend durchaus machbar und bezahlbar. Und wer sagt denn dass es nur Lehrerkinder sind die Studieren. Ein Handwerker braucht sich auch nicht verächtlich anschauen lassen, das liegt nur an einem selbst, wenn man meint etwas minderwertig zu sein.
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  • J. N.
    Sehr geehrter Herr Czygan,

    es gibt weder gute noch schlechte Argumente FÜR Studiengebühren. Es gibt schlicht überhaupt keine. Dass sich die Situation mit Einführung der Studiengebühren verbessert hat, ist der Tatsache geschuldet, das die Unis in der Vergangenheit kapput gespart wurden.
    Versäumnise auf Seiten der schwarzen Regierung in Bayern, die jetzt auf Kosten der Studierenden behoben werden. Bildung ist eine Angelegenheit der Gesellschaft und nicht nur derjenigen die sich Bildung aneignen wollen.
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  • A. S.
    Einfach mal alle Argumente, die sehr wohl für Studienbeiträge sprechen, als hinfällig vom Tisch zu kehren, ist ganz schlechter Stil. Nur weil Sie anderer Meinung sind und glauben, dass diese auch noch die einzig richtige ist, heißt das noch lange nicht, dass das auch die breite Masse so sieht. Das mit den gefühlten Mehrheiten ist immer eine schöne Sache, wenn man das von außen beobachten kann.
    Ich bin auch für die Beibehaltung der Beiträge, da jeder einen Beitrag zu seiner hervorragenden Ausbildung leisten kann und sollte. Allein der Kostenlos-Gerechtigkeits-Gedanke zählt nicht, Herr Czygan wägt nämlich schön ab.
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  • U. S.
    hat eine mainpost-mail-adresse, ist somit ein Mitarbeiter. Als solcher kann er selbstverständlich seine Meinung äussern nur kommt es recht billig daher wenn dieser "Meinungsäusserer" bei der Zeitung arbeitet in der sein Statement abgedruckt wird. Da wirft sich nämlich der Verdacht auf, dass wieder einmal Meinung gemacht werden soll.

    Neutralität, liebe Mainpost, sieht anders aus!
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  • T. S.
    Na toll! Herr Czygan gibt Empfehlungen wie man sich entscheiden soll. Unabhängige Berichterstattung ist anders. Er kann ja die Pro und Contras aufführen aber zum Schluß das Nein anzuhängen finde ich nicht OK. Und von wegen, Verbesserungen der Studienbedingungen. Es werden immer noch Klausuren auf dem Boden geschrieben, die Studenten müssen sich für Kurse bewerben, kommen vielleicht im Losverfahren in einen Kurs und haben, auch wenn sie es möchten, keine Chance in der Mindeststudienzeit ihr Studium zu absolvieren. Die Studiengebühren werden von den Unis teilweise gebunkert oder in sinnlose bauliche Ausstattung gesteckt, für die eigentlich der Staat zuständig wäre. Ich finde, Bildung ist Staatsaufgabe. Und wenn die politischen Parteien taktieren, dann soll der Wähler jetzt ein Zeichen setzen und sich nicht enthalten sondern für die Abschaffung der Studiengebühren stimmen, das bedeutet nicht wegducken Herr Czygan.
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