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WÜRZBURG
Leitartikel: Keine großen Unterschiede zwischen Merkel und Schulz
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 29.09.2017 03:25 Uhr

Nein, das TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Herausforderer Martin Schulz war nicht wirklich spannend. Neuigkeiten brachte es kaum – vielleicht abgesehen von Merkels klarem Nein zur Rente mit 70 und Schulz' unerwartet deutlicher Absage an EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Die meiste Zeit gingen die Kontrahenten höflich miteinander um, bei vielen Themen, gerade in Fragen der Außenpolitik und der Inneren Sicherheit, stimmten sie überein.

Überraschend war das nicht. In der Großen Koalition haben CDU und SPD vier Jahre lang weitgehend geräuschlos miteinander regiert. Wenn es mal schrille Töne gab, lag es meist an der bayerischen Unionsschwester CSU. Dass sich die SPD angesichts dieser Konstellation schwertut, wahlzukämpfen, war schon vor dem Fernsehduell bekannt. Ja, es gibt soziale Ungerechtigkeiten in diesem Land und ungelöste Umweltfragen, für eine echte Wechselstimmung reichen diese Themen aber offensichtlich nicht.

Schulz hat sein Bestes gegeben, Merkel hat Kritik – wie fast immer – souverän an sich abprallen lassen. „Großkoalitionäres Therapiegespräch“ hat Dietmar Bartsch von der Linken das Duell spöttisch genannt. Da ist was dran. Andererseits: Was wäre los gewesen, hätte Schulz das Land, in dem die Seinen – abgesehen von den vier schwarz-gelben Jahren – seit 1998 mitregieren, schlecht geredet? Oder hätte er plötzlich den Poltergeist markiert?

Keine Schlammschlacht a la Trump und Clinton

Dass die politische Debattenkultur hierzulande eine andere ist als in den Vereinigten Staaten, dass Schulz und Merkel keine Schlammschlacht a la Trump und Clinton boten, ist ein Wert an sich.

Gleichwohl hätte man sich das TV-Duell bunter, lebendiger gewünscht. Die sterile Atmosphäre im Fernsehstudio, der Verzicht auf jegliches Publikum, da konnte keine Stimmung aufkommen. Und dann die Konstellation mit gleich vier Moderatoren. Sandra Maischberger (ARD), Maybrit Illner (ZDF), Peter Kloeppel (RTL) und Claus Strunz (Sat.1) mögen jeder für sich renommierte Journalisten sein. Beim 90-minütigen TV-Duell am Sonntag indes standen sie sich gegenseitig im Weg.

Statt die Kandidaten miteinander ins Gespräch zu bringen und den Dialog voranzutreiben, schien es so, als wartete ein jeder Reporter nur darauf, endlich seine Fragen stellen zu können und nicht zu kurz zu kommen. Da wären weniger mehr gewesen.

Fernsehsender hätten sich nicht erpressen lassen dürfen

Die übertragenden Sender haben die Verantwortung für das starre Korsett dem Kanzleramt gegeben. Merkels Stab habe genau diesen Rahmen verlangt, keine zweite Runde erlaubt und damit gedroht, dass die Kanzlerin sonst nicht komme. Im Nachhinein muss man einsehen: Die Sender hätten dieser „Erpressung“, von der der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender sprach, nicht nachgeben dürfen. Notfalls hätte es dann eben mit Verweis auf Merkels Boykott kein TV-Duell gegeben. Die 16,23 Millionen Zuschauer hätten stattdessen „Tatort“ geguckt. Und die Kanzlerin wäre nicht gut dagestanden.

Aber diese Debatte ist müßig. Eine Lehre aus dem Duell ist letztlich auch – selbst wenn Sozialdemokraten das nicht gerne hören –, dass die Unterschiede zwischen Angela Merkel und Martin Schulz so groß nicht sind. Beide können Kanzler. Eine Mehrheit indes sagt sich offenbar: In diesen weltpolitisch so unsicheren Zeiten wechseln wir die Pferde lieber nicht.

So bleibt die spannendste Frage der letzten Wahlkampfwochen: Wer darf am Ende mit CDU und CSU koalieren? AfD und Linke hat Merkel ausgeschlossen, vier weitere Jahre Große Koalition kann die SPD schon aus Gründen der Selbstachtung nicht wollen. Bleiben FDP und Grüne. Und da macht es schon einen Unterschied, ob der nächste deutsche Vizekanzler Christian Lindner oder Cem Özdemir heißt. Vielleicht sollte man die beiden mal zum TV-Duell einladen.

 
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