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Leitartikel: Jetzt bitte bloß keine Geschenke verteilen!
Gerd Höhler
Gerd Höhler
 |  aktualisiert: 02.04.2019 11:28 Uhr

In zehn Tagen will der griechische Premier Alexis Tsipras den Abschluss der Hilfsprogramme feiern. Doch ob Griechenland von nun an wirklich auf eigenen Beinen stehen kann, ist zweifelhaft. Acht Jahre und vier Monate hielt sich Athen mit Hilfskrediten der Euro-Partner und des Internationalen Währungsfonds über Wasser. Rund 275 Milliarden Euro werden bis zum Programmende nach Griechenland geflossen sein – einschließlich der letzten Kreditrate von 15 Milliarden. Das Geld ist größtenteils für eine Rücklage bestimmt. Sie soll es den Griechen ermöglichen, sich nach dem Auslaufen des Hilfsprogramms rund zwei Jahre aus eigenen Mitteln zu refinanzieren. Dank der jüngst vereinbarten Stundungen und Schuldenerleichterungen dürfte das Land auch in den kommenden 15 Jahren keine Schwierigkeiten haben, seine Verbindlichkeiten zu bedienen.

Die Sparauflagen haben das Land in die Rezession gestürzt

Der Preis für die Hilfskredite waren strikte Spar- und Reformprogramme. Die Ergebnisse sind allerdings durchwachsen. Bei der Konsolidierung des Haushalts hat Athen größere Erfolge vorzuweisen als jedes andere der insgesamt fünf Euro-Krisenstaaten. Das Rekorddefizit von mehr als 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2009 hat sich in einen Überschuss verwandelt.

Aber rückblickend ist auch klar: Die Sparauflagen waren viel zu hart. Sie haben Griechenland in die tiefste und längste Rezession gestürzt, die ein europäisches Land je in Friedenszeiten durchzumachen hatte. Eine Lockerung des Spardrucks hätte der Konjunktur Wachstumsimpulse geben können. Aber die Gläubiger versäumten es, rechtzeitig gegenzusteuern. So verlor das Land mehr als ein Viertel seiner Wirtschaftskraft. Es wird mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis es das Vorkrisenniveau wieder erreicht hat.

Die anderen vier Problemstaaten der Eurozone haben die Krisenfolgen weitgehend überwunden. Hellas hingegen nicht. Das Land hat die Gefahrenzone fürs Erste hinter sich gelassen. Aber über den Berg ist es noch nicht. Das ist nicht nur dem Spardiktat geschuldet. Auch die diversen Athener Regierungen tragen Verantwortung. Sie sträubten und sträuben sich immer noch gegen jene Strukturreformen, die Griechenlands Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen sollen. Nur dann kann Griechenland das Vertrauen der Investoren und Anleger zurückgewinnen.

An den Märkten gibt es noch ein Vertrauensdefizit

Dass es daran noch hapert, zeigen die hohen Bond-Renditen. Sie liegen für griechische Anleihen zwei bis viermal so hoch wie für Schuldpapiere Spaniens, Portugals oder Italiens. Das zeigt: Griechenland hat die Haushaltsdefizite zwar im Griff. An den Märkten kämpft das Land aber immer noch mit einem Vertrauensdefizit. Umso wichtiger ist es deshalb, dass die Regierung auch nach dem Auslaufen des Hilfsprogramms weiter an der Umsetzung des Programms arbeitet. Aber leider gibt es Anzeichen für das Gegenteil: Die Regierung will offenbar wichtige Maßnahmen zurückdrehen. So kündigte Vize-Außenminister Giorgos Katrougalos im Parlament an, man werde die „brutale“ Arbeitsmarktreform rückgängig machen. Dabei hat gerade die geholfen, Griechenlands Wettbewerbsposition zu stärken. Und Arbeitsministerin Effie Achtsioglou kündigt an, man werde die „überflüssige“ Rentenreform, die am 1. Januar 2019 in Kraft treten soll, annullieren.

Premier Alexis Tsipras wagt sich damit auf dünnes Eis. Dank der Milliardenkredite hat Athen keinen unmittelbaren Geldbedarf. Umso größer ist die Versuchung, jetzt unpopuläre Reformen zurückzudrehen und Geschenke zu verteilen. Schließlich muss Tsipras im nächsten Jahr Wahlen bestehen. Aber an den Märkten beobachtet man die Entwicklungen in Athen sehr genau. Wenn Tsipras jetzt seinen populistischen Neigungen nachgibt, verspielt er das ohnehin brüchige Vertrauen. Dann könnte die Krise sehr schnell zurückkehren.

 
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