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Leitartikel: Je bunter der Protest, desto besser
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 22.12.2015 15:10 Uhr

Mit viel Kreativität ist die Zivilgesellschaft an Pfingsten in Stammheim den Neonazis entgegengetreten, die sich in ihrer Gemeinde breitmachen. Dass trotz besten Ausflugswetters weit über 1000 Menschen beim Gottesdienst in der Dorfmitte ihre Solidarität mit dem 850-Einwohner-Dorf zeigten, ist ein bemerkenswertes Zeichen gegen den braunen Ungeist.

Dennoch bleibt nach diesem Sonntag auch Unbehagen. Bürgermeister Horst Herbert und die Initiative „Stammheim ist bunt“ hatten dazu aufgerufen, den Rechten beim abendlichen Marsch durch das Dorf die kalte Schulter zu zeigen. Das ist gelungen. An vielen Häusern waren die Rollos runtergezogen, nur wenige Einheimische waren auf der Straße. Begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot zogen die Nazis fast zwei Stunden durch das Winzerdorf. Eine gespenstische Situation. Das Signal „Wir schenken euch keinerlei Beachtung“ ist angekommen – einerseits. Anderseits könnten die Rechten den Rückzug der Zivilgesellschaft auch als Einladung betrachten, sich ungehindert auszubreiten. Und das ist kein gutes Signal. Für Stammheim nicht – und auch für sonst keinen Ort in Deutschland.

Ein Dilemma, in dem der demokratische Rechtsstaat da steckt. Dem ist nicht leicht zu entkommen. Patentlösungen für den Protest gibt es nicht. Schon gar nicht, wenn man der Überzeugung ist, dass eine Demokratie es ertragen muss, auch ihre Feinde mit menschenverachtender Propaganda zu Wort kommen zu lassen. Das ist schwer auszuhalten. Dagegen hilft, dass die Demokratie sich wehrhaft zeigt und für ihre Werte offensiv eintritt, wo immer es geboten ist.

Die Frage nach dem Wie stellt sich nach Stammheim weiter – so wie sie sich in Oberfranken regelmäßig beim sogenannten Heß-Gedenken stellt oder beim Versuch der Rechten, die Erinnerung an die Bombardierung deutscher Städte für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, in Dresden oder in Würzburg. Fantasie ist beim Widerstand gefragt, da haben die Stammheimer und ihre Nachbarn zuletzt Beispielhaftes geleistet. Kommunen, Schulen, Vereine und Verbände haben jeder nach seinen Möglichkeiten Resolutionen verabschiedet, Plakate gemalt, „rechte Lehrpfade“ gestaltet, „braune Tonnen“ aufgestellt.

Jede einzelne Aktion ist wichtig, in der Summe wirken sie erst richtig. Und so dürfen die Stammheimer auch dankbar sein, dass drei Dutzend junge Antifa-Vertreter und ihre Unterstützer aus Würzburg und Schweinfurt mit ihren Mitteln – Pfiffen und „Nazis raus“-Rufen – Flagge gezeigt haben, als die „Rechte“ ihren Parteitag startete. Dass sie ihr Missfallen auch am Abend zum Auftakt des Neonazi-Aufmarschs deutlich kundtaten und versuchten, Straßen zu blockieren und sich so den Rechten in den Weg zu stellen. Dieser friedliche (!) Widerstand ist genauso notwendig wie der der Gottesdienstbesucher, auch wenn er für die Polizei und die Behörden gewaltigen Aufwand bedeutet, auch wenn er viel Geld kostet. Die Demokratie muss es uns allen wert sein.

Dies zu erkennen, die ganze bunte Vielfalt des Protests zu akzeptieren und zu vereinen, das bleibt die Aufgabe der Zivilgesellschaft, wo immer Nazis aktiv sind. Die Eröffnung der Parteizentrale war erst der Anfang in Stammheim. Im Winzerdorf – aber nicht nur dort – wird man sie noch alle brauchen, die Demokraten jeder Couleur.

 
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    "....dankbar sein, dass drei Dutzend junge Antifa-Vertreter und ihre Unterstützer..." Merkwürdig den "Linken" ist man dankbar, den "Rechten" zeigt man die kalte Schulter!
    Dachte ja immer alle Menschen wären gleich!
    Gleichviel wert, gleich in ......, aber auch da gibt es Unterschiede.
    Dabei ist es mir gleich welche Sozialisten, gleich welcher Farbe, ich halte mich fern..... zwinkern
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  • O. P.
    den Rechten alle Menschen gleich wären! Oder haben Sie nicht verstanden, dass es denen darum geht, dass eben nicht alle Menschen gleich sind?!
    Und vergessen Sie mal den Schwachsinn, dass es einen braunen Sozialismus gegeben hätte. Die Politik von 33 bis 45 war alles andere als sozialistisch. Ein Name (NationalSOZIALISMUS) ist nur ein Name. Oder halten SIe die NPD (NationalDEMOKRATEN) für demokratisch?
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    ...genauer mit der Geschichte befasst, erfährt man unter anderem das die NSDAP ursprünglich als Sozialistische Partei startete aber wegen der großen Konkurrenz anderer sozialistischen Gruppen sich entschied statt auf die internationale auf die nationale Gesinnung zu setzen.
    Der einzige wirkliche Unterschied zwischen beiden Systemen war und ist das die Sozialisten nach der Gesellschaftsschicht mordeten und die Nationalsozialisten nach der „Rasse“.
    Dazu auch: http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2003/09/27/a0148
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    Es gibt keinen Unterschied zwischen Links - und Rechtsradikalen.

    Ob Nazi oder Antifa - alles menschenfeindlich....

    Außer das die Presse mehr Links hofiert....
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  • O. P.
    sondern nur einen TAZ-Artikel zitiert. Hitler wollte keinen sozialistischen Staat, deshalb hat er Gregor Strasser im Zuge des Rhöm-Putsches 1934 ermorden lassen. Er hat die Industriellen hofiert und beließ die Produktionsmittel in deren Hand im Gegensatz zum Sozialismus. Hitlers Nationalsozialismus hatte eine klare Führerstruktur. Der Sozialismus im Sinne von Marx hat dies nicht. Fest vergleicht in diesem Artikel den „real existierenden Sozialismus“ mit dem Nationalsozialismus. Der Sozialismus von Marx und der der UDSSR und der DDR sind jedoch verschieden. Entscheidend ist die Sichtweise auf den Menschen. Während im Sozialismus der Lehre nach alle Menschen gleich sind, sind im Nationalsozialismus in der Lehre nicht alle Menschen gleich, sondern die arische Rasse die überlegene. Als Lektüre empfehle ich Joachim Fest „Hitler“ und alle Schriften von Karl Marx. Fest erklärt in seinem Buch den Nationalsozialismus viel tiefer und arbeitet auch heraus, dass Hitler kein Sozialist war.
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    ...ist jeder Sozialismus schlecht.
    Strasser wollte eine Koalition eingehen, Hitler nicht. Er erklärte seinen Rücktritt von allen Parteiposten stand aber ideologisch an der Seite Hitlers.
    Hitler hat wohl die Unternehmer hoffiert, später war aber auch klar, dass sie in seinem Sinne agieren mussten, sonst hatten sie Repressionen zu befürchten.
    Insgesamt gibt es keinen guten Sozialismus und die Macht der Bonzen oder eines Führers ist auf Menschenverachtung und Menschenfeindlichkeit aufgebaut.
    Danke für die Buchempfehlung, ich werde es lesen.
    Ich empfehle: Warum Nationalsozialismus Sozialismus war und warum Sozialismus totalitär ist. http://www.misesde.org/?p=6343
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  • P. W.
    Ich muss mich schon sehr wundern:
    Feinden der Demokratie dankbar zu sein,andere Feinde der Demokratie zu bekämpfen....das war schon immer der falsche Weg und wird sich langfristig auch nicht auszahlen
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    Es wird immer schlimmer! Was diese Zeitung hier von sich gibt, ist einfach nur noch ein Witz!

    Die Redakteure blenden völlig aus, wie gefährlich die Antifa für unsere Demokratie ist, wie viele Polizeibeamte und Unschuldige schon durch diese Zecken verletzt wurden usw...
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  • P. K.
    freuen sich die Rechten ein Loch in den Bauch.

    @Mainpost
    Ihr tut mir echt leid, weil Ihr von gewissen Leuten ständig beleidigt werdet.
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    Ich bin weder rechts, noch links. Konservativ trifft besser. Und als Angehöriger einer BOS mag ich es halt nun mal nicht, wenn die Kids von der Antifa einen Kollegen fast in seinem Dienstwagen grillen (Blockupy FFM, schon vergessen?)

    Sie sind ja süß, die armen Mainpost-Redakteure können, hoffe ich, mit Kritik umgehen.
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