Wieder einmal müssen wir hilflos zusehen, wie ein blutiger Konflikt eskaliert, wie Frauen und Kinder ermordet werden. Aus dieser Hilflosigkeit erwächst der verständliche Wunsch, nicht tatenlos zu bleiben. Warum also nicht – wie in Libyen, wie im Kosovo – jetzt auch in Syrien militärisch eingreifen, um Menschenleben zu retten, um einen Bürgerkrieg zu verhindern?
Die traurige Wahrheit aber ist, dass in Syrien längst ein Bürgerkrieg tobt. Denn wer, wie beim Massaker von Al-Hula, Frauen und Kinder ermordet, der will seinen Feind nicht besiegen, der will ihn auslöschen, ihm die Zukunft rauben. In Syrien geht es längst nicht mehr um das Assad-Regime, sondern um die Zeit danach. Es geht um einen tiefsitzenden Konflikt zwischen schiitischen Aleviten und Sunniten. Der aber ist keineswegs auf Syrien begrenzt. Schiiten und Sunniten stehen sich in vielen arabischen Staaten feindlich gegenüber. Im Iran haben die Schiiten die überwältigende Mehrheit, in Saudi-Arabien und den Golfstaaten die Sunniten. Die Besonderheit in Syrien ist, dass eine schiitische Minderheit über eine sunnitische Mehrheit regiert.
Kein Wunder also, dass – anders als im Fall Libyens – die Arabische Liga niemals zu einem einheitlichen Vorgehen in Sachen Syrien kommen wird. So steht der Iran ganz klar an der Seite des Assad-Regimes, Saudi-Arabien und die Türkei sind hingegen aufseiten der sunnitischen Opposition.
Zwangsläufig würde ein militärisches Eingreifen von außen einen Flächenbrand in der Region auslösen. Schon jetzt strahlt der Konflikt in den Libanon und in den Irak.
Dabei lassen sich die Konfliktparteien nicht eindeutig in Gut und Böse unterteilen. Natürlich geht das Assad-Regime mit brutaler Gewalt gegen seine Gegner vor, regiert seit Jahrzehnten mit harter Hand. Aber auch in der Opposition finden sich radikale Kräfte bis hin zum terroristischen Einfluss der El Kaida. Ausgerechnet diese Gruppen finden Zulauf und Unterstützung, wenn die Staatengemeinschaft nicht in der Lage ist, diplomatisch oder militärisch zu helfen.
Ein Dilemma: Greift der Westen ein, bringt er ein Pulverfass zur Explosion, tut er es nicht, unterstützt er indirekt radikale und gewaltbereite Kräfte der Opposition. Solange freilich Russland fest an der Seite Assads steht und die arabische Welt gespalten ist, sind nicht einmal wirkungsvolle Resolutionen oder gar Boykotte denkbar.
So liefert Russland Munition an die Truppen Assads, Saudi-Arabien und sunnitische Kräfte im Irak und Libanon unterstützen die syrische Opposition mit Waffen. Russland und auch China betreiben Außenpolitik nach dem alten Was-nutzt-mir-was-Schema. Russland braucht Syriens Mittelmeerhäfen und hat in Baschar al-Assad einen guten Kunden seiner Rüstungsindustrie. China will seine guten Kontakte und Handelsbeziehungen zum Iran nicht verderben, scheint aber jetzt vorsichtig einzulenken.
Beiden Ländern muss klargemacht werden, dass der Westen eine solche Unterstützung Syriens angesichts grausamer Menschenrechtsverletzungen nicht länger hinnimmt. Das gelingt aber nicht mit Bussi-Bussi-Diplomatie, wie sie Angela Merkel mit Wladimir Putin vorige Woche erst wieder zelebriert hat. Klare Worte an die, die wirkungsvolle Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung in Syrien verhindern, sind das mindeste, was von Politik erwartet werden darf.