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Leitartikel: In Frankreich droht das Ende der Volksparteien
Birgit Holzer
 |  aktualisiert: 25.02.2017 03:37 Uhr

Eine mickrige Genugtuung bleibt Manuel Valls, dem Verlierer der sozialistischen Vorwahlen in Frankreich: Wenigstens hat er Recht behalten. Noch in seiner Zeit als Premierminister hatte er von „zwei unversöhnlichen Linken“ in einer Partei, der Sozialistischen, gesprochen – eine These, die er später, als Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur, zu revidieren versuchte. Denn Valls wollte die Partei gewinnen, hinter sich einen, mit den fünf Jahren an der Regierung und der Politik von Präsident François Hollande versöhnen. Das ist misslungen.

Der Sieg des Parteilinken Benoît Hamon, der den Reformkurs der Regierung bekämpft und blockiert hat, bedeutet ein klares Abstrafen durch die eigenen Anhänger, einen Richtungswechsel – und möglicherweise sogar die Spaltung der Sozialisten. Hamon mochte in der Stunde seines Triumphs noch so euphorisch von einer „lebendigen und vibrierenden Linken“ schwärmen und in einer großen Geste selbst fern verwandte Gesinnungsgenossen zur Vereinigung einladen – vom Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon über den Grünen Yannick Jadot bis zur Fraktion der Parteirechten und „Realos“, die Valls vertritt.

Emmanuel Macron hat die besseren Gewinnchancen

Doch diese steht nicht nur ideologisch Emmanuel Macron näher; der abtrünnige Ex-Wirtschaftsminister, den die Grabenkämpfe und Blockaden in der Regierungspartei vertrieben, hat auch deutlich bessere Gewinnchancen als Hamon. Der frisch gekürte Kandidat bringt zwar interessante Ideen zur Modernisierung des Landes mit, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit. Aber sie bleiben philosophische Diskussionsbeiträge, solange er keine konkreten Vorschläge zu ihrer Finanzierung parat hat. So drohen viele der „Realos“ in der Partei abzuwandern.

Der Hauptverantwortliche für diese Situation ist Hollande. Dem einstigen Vorsitzenden der Sozialisten, der so berühmt-berüchtigt für seine ewige Konsens-Suche ist, gelang es nicht, die Widersprüche in der Partei zu überwinden und seine Politik zu erklären.

Doch aus den Trümmern kann etwas Neues entstehen. Hollandes politischer Ziehsohn Macron, der ihn mit seinem Alleingang schwer getroffen hat, ist der einzige Kandidat in diesem Wahlkampf, der seine sozialdemokratische Linie weiterführen will. Da Hollande und seine Vertrauten nicht das Projekt seines Gegenspielers Hamon befürworten können, bleibt nur der totale Rückzug – oder die Unterstützung Macrons. Entsprechende Signale kamen bereits von Hollandes langjähriger Lebenspartnerin Ségolene Royal, die ihm immer noch nahesteht.

Sich selbst auf Staatskosten bereichert?

Macrons Aussichten haben sich nun erneut erhöht, seit der republikanische Kandidat François Fillon durch den Skandal um die üppigen Bezüge seiner Frau Penelope als angebliche parlamentarische Assistentin in ernste Schwierigkeiten gerät. Er, der sich stets als moralisch einwandfrei dargestellt hat und den Franzosen in seinem Programm große Anstrengungen abverlangen will, steht im Verdacht, sich selbst auf Staatskosten bereichert zu haben.

Von diesen Umstürzen profitieren zwei Kandidaten, die nicht den traditionellen Volksparteien angehören und den Bruch mit dem überkommenen System fordern: Emmanuel Macron und Marine Le Pen. Die Rechtspopulistin hält sich momentan auffällig still. Und zwar nicht nur, weil auch der Front National in Korruptionsaffären verwickelt ist. Sondern weil sie weiß, dass sie für viele Verdrossene automatisch zur Zuflucht wird.

Es zeichnet sich ab, dass die Wähler vor allem eines wollen: einen Neuanfang. Die Spaltung vollzieht sich inzwischen nicht mehr zwischen links und rechts. Sondern zwischen alt und neu. Die Frage bleibt, ob es ein positiver Neuanfang a la Macron wird. Oder ein vermeintlicher a la Le Pen, deren Programm auf Ablehnung und Ausgrenzung basiert. Also hin zu einem Fortschritt – oder doch zu einem Rückschritt.

 
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