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Leitartikel: In dieser Regierung gibt es zu viele Leerstellen
Stefan Lange (51) ist neuer Leiter des Hauptstadtbüros unserer Zeitung. Zuvor arbeitete er als Teamleiter Politik im Berliner Büro von Dow Jones Newswires und dem Wall Street Journal. Lange ist seit 2001 in Berlin und hat dort unter anderem bei verschiedenen Nachrichtenagenturen gearbeitet. Davor war der gebürtige Friese zwölf Jahre lang als Volontär und Redakteur bei einer Tageszeitung in Jever beschäftigt.
Stefan Lange
 |  aktualisiert: 11.12.2019 21:37 Uhr

Eine Kabinettsumbildung wird es nicht geben. Die nächsten Tage jedenfalls nicht. Auch wenn nach dem CDU-Wahlparteitag der unterlegene Friedrich Merz äußerte, er traue sich ein Ministeramt durchaus zu. Doch eine Ewigkeitsgarantie gibt es für die bestehende Ministerriege nicht. Dafür knirscht es viel zu sehr im Gefüge der Regierungsmannschaft.

Bereits vor dem CDU-Wahlparteitag wurde über das Kabinett spekuliert. Zum Beispiel darüber, ob Bundesinnenminister Horst Seehofer neben dem Amt des CSU-Parteivorsitzenden auch seinen Job als Ressortchef an den Nagel hängt. Eine Auflösung der Koalition stand ebenfalls zur Diskussion, und auch die Debatte über Neuwahlen ist nicht ganz verstummt. Denn die Performance der Merkel?schen Regierungsmannschaft ist einfach nicht gut.

Zuvorderst in der Kabinettskritik stehen gerade die beiden CDU-Politiker Ursula von der Leyen und Peter Altmaier. Erstere hat als Verteidigungsministerin mit einem Problem zu kämpfen, an dem sich schon ihre Vorgänger Franz Josef Jung, Karl-Theodor zu Guttenberg und Thomas de Maiziere die Zähne ausgebissen haben: Die Bundeswehr vertraut ihrer Führung nicht. Im Berliner Bendlerblock schwärmen sie da immer noch von Peter Struck: Der inzwischen gestorbene SPD-Politiker hatte das Herz der Truppe. Verstärkt wird der Eindruck von Führungsschwäche bei Ursula von der Leyen durch die ominösen Beraterverträge ihres Ministeriums.

Peter Altmaier kommt bei wichtigen Themen nicht voran

Wirtschaftsminister Peter Altmaier kommt in seinem Haus ebenfalls nicht voran. Wolle man eine Entscheidung zu einem bestimmten Thema verhindern, müsse man es nur Altmaier auf den Tisch legen, spotten Mitarbeiter. Wie der CDU-Politiker sich auch dreht und wendet, er kommt bei wichtigen Themen nicht voran. Fragen in der Energiepolitik sind ungelöst, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz machten Seehofer und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nach Angaben beteiligter Personen unter sich aus.

Aber auch andere haben nichts oder nur wenig auf dem Lieferschein stehen. Das Wort „Bildung“ ist eines der am häufigsten genannten im Koalitionsvertrag. Gleichzeitig wissen aber viele immer noch nicht, wer das Ministerium führt: Bildungsministerin Anja Karliczek gehört zu den blassesten Gesichtern im Kabinett. Maßnahmen wie der milliardenschwere „Digitalpakt Schule“ oder der „Pakt für Forschung“ sind spektakulär. Sie gehen aber nicht auf ihr Konto, sondern wurden schon vor Karliczeks Amtszeit in die Spur gesetzt. So ist die CDU-Politikerin vor allem deshalb bekannt, weil es ihrer Meinung nach den Mobilfunkstandard 5G nicht an jeder Milchkanne geben kann.

Ausgerechnet Horst Seehofer macht in Ruhe seinen Job

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat es, zuletzt dank ihres unermüdlichen Einsatzes bei der Klimakonferenz in Kattowitz, zu deutlich mehr Bekanntheit gebracht. Aber auch ihr Lieferservice funktioniert nur eingeschränkt. In wichtigen Umweltfragen etwa liegt sie ständig im Clinch mit Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). In der Glyphosat-Verbotsdebatte wiederum gab es Differenzen mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner von der CDU.

Positiv fällt in Berlin gerade ausgerechnet der Mann auf, der in den vergangenen Monaten einige Störmanöver anzettelte: Horst Seehofer macht in Ruhe seinen Job und hakt eine Aufgabe nach der anderen ab.

Angesichts der vielen Leerstellen in der Regierungsarbeit sollte es keine Frage sein, ob das Kabinett umgebildet wird. Die Frage ist vielmehr, wann das passiert. Spätestens Ende Mai wird es zu mindestens einer Umbesetzung kommen, wenn Bundesjustizministerin Katarina Barley, die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, ins EU-Parlament wechselt. Es könnte Anlass für eine größere Rochade bei Union und SPD sein. Wenn der Burgfriede überhaupt bis dahin hält.

 
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