Die mediale Debatte um den Irak trägt bizarre Züge: Ideologen streiten, welcher US-Regierung für das Chaos der Schwarze Peter gebührt; Beobachter fachsimpeln, ob Barack Obamas jüngster Beschluss einen Kurswechsel bedeutet; und Senatoren mit guten Kontakten zur Waffenindustrie finden wie immer alles zu schwach. Es ist, als sei der Irak eine Privatangelegenheit des Weißen Hauses und eine Beurteilung nach anderen als innenpolitischen Maßstäben gar nicht mehr möglich. Dabei verkennt das Getöse nicht nur den Ernst der Lage. Es überdeckt eine fundamentale Ratlosigkeit beim Thema selbst. Das gilt längst nicht nur in den USA.
Die Vereinten Nationen schweigen dröhnend, und auch Europa zeigt wenig Interesse: Der Irak müsse diese Krise mit seinen Nachbarn und Washington in den Griff bekommen, hat die deutsche Verteidigungsministerin wissen lassen – dieselbe Ursula von der Leyen, die bei der Münchner Sicherheitskonferenz noch verkündet hatte, Berlin werde bei Krisen künftig mehr Verantwortung übernehmen. Es ist eigenartig, dass man im nahegelegenen Europa glaubt, das Problem ignorieren zu können. Lange hat es kein solches Gefahrenpotenzial mehr gegeben: Vor der Aussicht auf ein Terrorkalifat zwischen Aleppo und Bagdad wirkt die ursprüngliche El Kaida schon deshalb wie eine Laientruppe, weil die Dschihadisten in Afghanistan nie über solche Mittel verfügten, wie sie den Isis-Rebellen in die Hände fallen.
Der US-Präsident hat immerhin begonnen, seinen Landsleuten zu erklären, warum ein stabiler Irak im Sicherheitsinteresse der Vereinigten Staaten liegt. Es ist müßig, darüber zu streiten, ob seine militärische Vorsicht ihm innenpolitisch nutzt. Sie ist von der Sache geboten. Die USA haben keine Chance, die Katastrophe im Alleingang aufzuhalten. Es ist schwierig genug, den Irak auf eine Weise zu stabilisieren, die die Gräben zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden nicht noch weiter vertieft. Mangelnde Sorgfalt kann den Terroristen gerade jene Unentschlossenen in die Arme treiben, auf die es ankommt. Und je mehr der Konflikt sich zum Glaubenskrieg auswächst, desto mehr läuft Washington Gefahr, selbst zum Feindbild zu werden, wenn es allzu offen agiert.
Die USA können das irakische Militär so weit kräftigen, dass es sich wieder zu halten vermag. Den Grundkonflikt lösen müssen aber andere. Zu ihm gehört, dass die wenigsten sich eine Zukunft mit Nuri al-Maliki vorstellen können. Der jungen Demokratie erwüchse kolossaler Schaden, wenn der beliebte Premier von außen aus dem Amt gedrängt würde. Obama hat das erkannt: Die Zukunft muss hinter den Kulissen ausgehandelt werden, unter Einbindung aller Beteiligten samt der einflussreichen Nachbarstaaten.
Der wichtigste Teil der US-Initiative ist deshalb die diplomatische Mission von Außenminister John Kerry. Selbst zu eisigsten Zeiten haben die USA mit dem Iran Handlungsfelder ausgelotet, wenn es gemeinsame Interessen gab. In dieses Boot allerdings auch noch Staaten wie Israel und Saudi-Arabien zu bekommen, gleicht einem Himmelfahrtskommando. Wenigstens hierbei sollten die UN und Europa jede mögliche Unterstützung leisten. Der Erfolg ist ungewiss, das hat der Versuch mit Obamas militärischem Plan gemein. Es gibt nur in beiden Fällen keinen besseren.