Die treffendste Charakterisierung der AfD stammt nicht von ihrem größten Kritiker, sondern ihrem besten Kenner. Die Partei sei „noch immer ein gäriger Haufen“, sagte Alexander Gauland, Mitbegründer, Fraktionschef im Bundestag und seit Samstag auch Parteichef, als Frauke Petry am Tag nach der Bundestagswahl demonstrativ als Vorsitzende zurück- und aus der Partei austrat. Gärig, das ist eine fast harmlos anmutende Beschreibung dafür, dass es brodelt und stinkt – und sich in einer trüben Brühe ein gewisser Bodensatz bildet, der entfernt werden muss, bis die Flüssigkeit klar und rein und somit genießbar wird.
Aber will das die AfD überhaupt werden? Bislang ist sie bestens damit gefahren, ein unausgegorenes Sammelbecken von allen möglichen Kräften rechts der Union zu sein und sich im Ton wie im Stil und erst recht im Auftreten von der Konkurrenz elementar zu unterscheiden. Selbst die seit der Gründung im April 2013 tobenden Macht- und Richtungskämpfe, die mit gnadenloser Härte ausgetragen werden, haben ihr in der Wählergunst nicht geschadet. Man gibt sich aufmüpfig und unangepasst, radikal und rigoros – auch im Umgang mit sich selber. So ist von den drei Gründungsvorsitzenden Bernd Lucke, Konrad Adam und Frauke Petry keiner mehr im Amt, Lucke und Petry haben gar die AfD wieder verlassen und neue Parteien gegründet.
Der Gärungsprozess in der Partei hält unvermindert an und ist noch lange nicht abgeschlossen.
Die AfD fällt immer wieder in alte Flügelkämpfe und Muster zurück
Das hat auch der Parteitag in Hannover in aller Deutlichkeit offenbart, auch wenn sich die AfD bemühte, professioneller, strukturierter und im Umgang untereinander friedlicher zu werden. Doch als es darum ging, die Nachfolge Petrys zu regeln, brachen die alten Flügelkämpfe wieder auf und warfen die Partei in ihre alten Muster zurück. Auf offener Bühne wurde der Konflikt ausgetragen. Weder der Kandidat der gemäßigten „Alternativen Mitte“, der Berliner Georg Pazderski, noch die Überraschungskandidatin des national-konservativen Flügels, die Schleswig-Holsteinerin Doris zu Sayn-Wittgenstein, die vom radikalen Flügel um den Thüringer Björn Höcke vorgeschoben worden war, um Pazderski zu verhindern, erhielten in zwei Wahlgängen eine Mehrheit.
So war der Weg frei für den eigentlichen starken Mann der AfD, Alexander Gauland, der sich bislang mit dem Vize-Posten begnügt, aber still und stetig seine Macht ausgebaut hat. Die Rechtsaußen in der AfD triumphieren.
Die Wahl Gaulands stärkt den rechten Flügel
Als Partei- und Fraktionschef ist der 76-jährige Gauland, der in der Hessen-CDU das politische Geschäft mit all seinen Hinterzimmer-Deals von der Pike auf gelernt hat, die unumstrittene Nummer eins. Mit der Fraktion verfügt er auch über ein eigenes Machtzentrum, während sich Jörg Meuthen praktisch als Einzelkämpfer im Europaparlament durchschlagen muss. Das stärkt den rechten Flügel, der in den vergangenen vier Jahren schon erfolgreich Bernd Lucke und Frauke Petry aus dem Amt gedrängt und die AfD von einer ursprünglich eher wirtschaftsliberalen zu einer nunmehr strikt rechtskonservativen Partei gemacht hat, die sich als Gegnerin des Systems sieht. Insofern ist die Wahl Gaulands die konsequente Folge dieser Entwicklung: Ein Parteichef Georg Pazderski wäre nur ein Feigenblatt gewesen, ein Alibi-Liberaler am Marionettenkreuz Höckes und Co.
Alexander Gauland aber kann sich nun nicht mehr in der zweiten Reihe verstecken, um seine Fäden zu spinnen. Nun trägt er auch öffentlich die Verantwortung für die AfD, muss Kurs und Richtung vorgeben und den Zusammenhalt einer unverändert tief gespaltenen Partei organisieren. Ohne Kellermeister geht es eben nicht, sonst verläuft die Gärung unkontrolliert, die trübe Brühe kippt und wird endgültig ungenießbar. Der Showdown von Hannover hat das alles nicht einfacher gemacht. Und bislang hat die AfD noch jeden Chef geschafft.